Die Gießener Firma, die aus Abfall Geld macht

Oliver Kreiling (l.) und sein Sohn Sebastian sind nun schon die fünfte und sechste Generation des Familienunternehmens. Foto: Schepp

Das Recycling-Unternehmen Kreiling ist vor rund 120 Jahren gegründet worden. Der regionale Arbeitgeber für über 150 Mitarbeiter macht im Jahr mehr als 40 Millionen Euro Umsatz.

Anzeige

GIESSEN. Der Hunger des Schredders ist unersättlich. Tonne um Tonne an dicken Aktenordnern werden vom Förderband in den Trichter der Maschine befördert. Es dauert nicht lange, bis die Unterlagen in kleine Fetzen zerkleinert und in Ballen gepresst worden sind. "Die verkaufen wir an regionale Papierfabriken. Daraus wird neues Tissue-Papier für Toilettenpapier und Taschentücher", sagt Oliver Kreiling, Geschäftsführer des gleichnamigen Entsorgungsbetriebs. Papier ist nur einer von vielen Rohstoffen, denen im Hüttenweg neues Leben eingehaucht wird.

Die Ludwig Kreiling GmbH und Co. KG verwertet fast alles, was woanders nicht mehr gebraucht wird. Neben Papier zum Beispiel Kunststoff, Holz, Elektrogeräte, Bauschutt oder Metall. "Und natürlich Abfall, der in unserer eigenen EBS-Anlage in der Pistorstraße unter anderem zu Ersatzbrennstoff für die Stadtwerke verarbeitet wird", sagt Kreiling. Sowohl Privatkunden als auch die Industrie würden den Service in Anspruch nehmen, letztere aber deutlich stärker.

Anzeige

Sieben Firmen, 150 Mitarbeiter

Schon seit Jahren nimmt Recycling einen immer größeren Stellenwert in der Wirtschaft ein. Viele Unternehmen verwenden für ihre Produkte Rohstoffe, die zuvor einen anderen Zweck erfüllt haben. "Das hat zum einem mit einem höheren Stellenwert des Naturschutzes zu tun", sagt Kreiling. Vor allem aber seien recycelte Rohstoffe in vielen Fällen ökonomisch attraktiv - vor allem in Zeiten explodierender Rohstoffpreise.

In der Lagerhalle im Hüttenweg stehen neben etlichen Papier-Ballen auch einige aus gepressten Kunststoffverpackungen. Der Name des Herstellers ist noch zu erkennen. "Vor zwei, drei Jahren hat sich das Recycling dieser Verpackungen nicht gelohnt", sagt Kreiling. Wegen der hohen Energiepreise - Kunststoff wird aus Erdöl hergestellt - sei eine Verwertung jedoch lukrativ geworden.

Als Recycling-Unternehmen profitiert die Firma Kreiling von dieser Entwicklung. Gleichzeitig ist sie selbst von den hohen Kosten betroffen. Zum Beispiel durch die hohen Spritpreise. "Für unsere Transporte verbrauchen wir pro Jahr über eine Million Liter Diesel", sagt Kreiling. Immerhin beim Strom kann das Unternehmen erhebliche Einsparungen verzeichnen: Auf dem Dach der großen Lagerhalle ist eine Fotovoltaikanlage installiert, die laut Kreiling 60 Prozent des eigenen Energiebedarf abdeckt. "Wir hoffen, noch im Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen zu können. Dann wären es 85 Prozent."

Als Karl Kreiling, der Ur-Ur-Großvater von Oliver Kreiling, 1899 seinen Sandgruben- und Fuhrbetrieb gründete, musste er sich um solche Dinge noch keine Sorgen machen. Das Auto war zwar schon erfunden, auf den Straßen dominierten jedoch von Pferden gezogene Fuhrwerke den Verkehr. Auch sonst hat sich in der über 120 Jahre währenden Firmengeschichte viel verändert. Zu Kreiling gehört heute ein Netzwerk aus sieben Firmen wie zum Beispiel eine Spedition und ein Furnierwerk. Die ad-acta Datenschutz & Recycling GmbH, in der neben Papier auch immer häufige elektronische Datenträger geschreddert werden, ist zudem eine 100-prozentige Tochterfirma. "Wenn man alle Firmen zusammennimmt, werden über 150 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz dabei liegt bei über 40 Millionen Euro", sagt Kreiling.

Zahlen, von denen Firmengründer Karl Kreiling wohl schwindelig geworden wäre. Manches, was die fünfte beziehungsweise sechste Generation des Familienunternehmens treibt - neben Oliver Kreilings Sohn Sebastian arbeiten auch die beiden Neffen Julian und Philipp im Unternehmen - würde der einstige Sandgruben-Betreiber aber sicherlich kennen.

Anzeige

Treuer Kunde seit 123 Jahren

"Die Firma Bosch, früher Buderus, ist von der Firmengründung an bis heute unser Kunde", erzählt Kreiling. Wie damals werde der in Lollar beim Guss verwendete Sand abgeholt und entsorgt. "Wenn uns ein Kunde über 120 Jahre lang die Treue hält, kann man nicht alles falsch gemacht haben", sagt Kreiling lächelnd.

Noch heute bilden die Reststoffe aus Gießereien das größte Einsatzgebiet des Unternehmens. "Wir verarbeiten zum Beispiel Stäube und Sande aus Stahlwerken und stellen daraus ein neues Produkt her, das unter anderem bei der Abdichtung im Deponiebau verwendet wird."

Sand ist auch bei einem Kunden Thema, den man bei einem Gießener Entsorgungsbetrieb auf den ersten Blick nicht erwarten würde. "Wir machen viel für die Bundeswehr", sagt Kreiling und erzählt, dass beim Bund mit Handfeuerwaffen und Gewehren zu Übungszwecken in Sandhaufen geschossen würde. Dieser mit Blei belastete Sand wird von Kreiling entsorgt und verwertet. "Dieses Standbein haben wir schon seit über 30 Jahren."

Mit den Jahren sind viele weitere dazu gekommen. Denn mit dem, was andere nicht mehr gebrauchen können, kann die Ludwig Kreiling GmbH und Co. KG meist noch etwas anfangen - und dabei nicht nur Geld verdienen, sondern auch Ressourcen und die Umwelt schonen.

Von Christoph Hoffmann