Fallende Preise für Benzin und Diesel kommen bereits seit Wochen im Geldbeutel der Pendler an. Experten erkennen eine Erholungsphase, die aber schon bald ein Ende haben könnte.
Rhein-Main. Die aktuellen Spritpreise sorgen bei Pendlern in diesen Tagen für ein leichtes Aufatmen. Seit Mitte Oktober fallen die Preise an den Zapfsäulen fast täglich. Betroffen sind im weiterhin teuersten Treibstoff-Jahr aller Zeiten sämtliche gängigen Sorten, darunter Diesel, Benzin und Super E10. Das zeigt eine regelmäßige Analyse des ADAC. So konnte man im Rhein-Main-Gebiet am Freitagvormittag bereits einen Liter Diesel für 1,77 Euro tanken. Vor einem Monat musste ein Autofahrer dafür noch durchschnittlich 37 Cent mehr bezahlen. Ein ähnlicher Preissturz ist mit gut 29 Cent auch beim Benzin zu verzeichnen. Damit haben die Spritpreise – wenn man die dreimonatige Phase des deutschlandweiten Tankrabatts im Sommer herausrechnet – wieder das Niveau vor Kriegsbeginn in der Ukraine im Frühjahr erreicht.
Weltweit fallender Rohölpreis
Für Experten des Rohölmarktes ist das ein längst überfälliger Trend. Neben einem stärkeren Wettbewerbseffekt sehen sie vor allem den Rückgang der internationalen Ölpreise als Hauptgrund für die jüngste Entwicklung. Für einen Barrel Rohöl der Sorte Brent zahlte man vor einer Woche noch rund 94 US-Dollar, inzwischen ist der Preis zeitweise auf unter 85 Dollar zurückgegangen. Ein Tiefpunkt seit Januar 2022, das zeigt ein Blick auf die Preisentwicklung. Mit ein paar Tagen Verspätung sei das auch an der Zapfsäule zu spüren.
Auch die weltgrößten Ölverbrauchernationen haben einen entscheidenden Anteil am aktuellen Trend. So führen steigende Corona-Zahlen und die restriktive Null-Covid-Strategie in China zu Geisterstädten und gravierenden Einschnitten in der Produktion sowie Logistik. Das Ergebnis ist ein wiederholter Einbruch der Energienachfrage im Land. Gleichzeitig kämpfen die USA seit mehreren Wochen mit schwächelnden Konjunkturdaten. Die Erwartung einer weltweit drohenden Rezession erledigt indes ihr Übriges.
Russische Förderkosten unter möglichem EU-Preisdeckel
Auch politisch wird weiter Druck auf den Ölpreis gemacht. In den Fokus rückt dabei der geplante Preisdeckel für russisches Öl seitens der Europäischen Union. Dieser könnte nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg mit 65 bis 70 US-Dollar pro Barrel höher ausfallen als bisher angenommen. Im Moment würde der Deckel somit über den russischen Förderkosten liegen, die ihr Rohöl aktuell für unter 65 US-Dollar an Raffinerien in China und Indien verkaufen. Der Handel werde dementsprechend vorerst nicht beeinflusst, so Bloomberg. Sollten sich die EU-Energieminister auf den erhöhten Maximalpreis für russisches Öl einigen, könnte das Risiko eines Preisauftriebs durch einen Wegfall des Angebots erst einmal verringert werden.
Entspannung, aber keine Entwarnung
Experten gehen unterdessen von einer kurzfristigen Fortsetzung des Trends aus. Spürbare Preissenkungen könnte es demnach vor allem beim Diesel geben, prognostiziert der ADAC. Horrorszenarien, wie sie im Frühjahr vorhergesagt wurden, rücken damit erst einmal in weite Ferne. Gleichzeitig kann nicht von einer Entwarnung gesprochen werden. Grund ist das am 5. Dezember einsetzende Öl-Embargo der EU für russisches Rohöl. Ab Februar 2023 folgt dann ein weiteres Einfuhrverbot für Destillate wie Benzin und Diesel. Spätestens dann könnte es auch an den Tankstellen wieder zu spürbar steigenden Preisen kommen, befürchtet die Branche.