Als ob die hohe Inflation nicht schon genug wäre, versuchen Hersteller zusätzlich, die Verbraucher mit verstecken Preiserhöhungen auszutricksen. Wir zeigen krasse Fälle.
MAINZ/HAMBURG. Mogelpackungen gibt es immer wieder. Hersteller reduzieren in den betreffenden Fällen einfach den Inhalt, halten aber den Preis gleich. Oder: Die Füllmenge wird deutlich reduziert, der Preis jedoch nur minimal. Solche versteckten Preiserhöhungen sind für die Kunden häufig schwer zu erkennen.
Doch vor dem Hintergrund der hohen Inflationsrate sind die Kunden offenbar aufmerksamer geworden. Oder es gibt derzeit einfach mehr Mogelpackungen. „Derzeit häufen sich jedenfalls die Beschwerden über die Tricksereien der Hersteller in allen Produktgruppen“, so Ernährungsexpertin Caroline Ludwig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
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Häufig ändere sich die Packungsgröße nur geringfügig oder gar nicht. „Teilweise stecken aber bis zu 30 Prozent weniger Inhalt in der Packung. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern erzeugt gleichzeitig vermeidbare Abfälle und Treibhausemissionen“, sagt Ludwig. In ihren Augen wäre es fair, „wenn Hersteller bei Preiserhöhungen mit offenen Karten spielen und bei weniger Inhalt auch die Packungsgröße anpassen würden“. Sie rät beim Kauf vertrauter Produkte, genau auf die Füllmenge und den Preis pro Kilogramm beziehungsweise Liter zu achten. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat krasse Mogelpackungen zusammengetragen (https://www.vzhh.de/mogelpackungsliste). Hier eine Auswahl.
Rama:
Wie der Hersteller Upfield GmbH vorgegangen ist, gilt als klassischer Weg bei versteckten Preiserhöhungen. Vor der Umstellung bekam man für 2,19 Euro 500 Gramm der beliebten Margarine. Im August wurden der Verbraucherzentrale zufolge weiterhin 2,19 Euro fällig – allerdings nur noch für 400 Gramm. Was, so die Verbraucherschützer, einer Preiserhöhung von satten 25 Prozent gleichkomme. Upfield verteidigt das vorgehen. „Wie die meisten Lebensmittelunternehmen haben auch wir dramatische Kostensteigerungen in unserer gesamten Lieferkette, einschließlich unserer Rohstoffe, zu verzeichnen“, heißt es in einer Stellungnahme auf der Website der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Herstellung der Produkte koste daher heute viel mehr als noch vor einem Jahr, was sich auf die Preise auswirke. „Wir möchten, dass unsere Produkte so erschwinglich wie möglich bleiben. Deshalb haben wir die Grammatur einiger unserer Produkte leicht reduziert. Diese Änderung ist auf unseren Verpackungen deutlich erkennbar.“
Calgon Power Pulver:
Den Vogel schießt der Hersteller Reckitt Benckiser mit Calgon Power Pulver ab. Sowohl vor als auch nach der Änderung wurde der Wasserenthärter für Waschmaschinen laut Verbraucherzentrale für 2,19 Euro die Packung verkauft, bei der Größe und Füllmenge nicht verändert wurden. Die Packung, welche im September zu haben war, schien sogar ergiebiger zu sein. Denn auf der Verpackungsfront verspricht der Hersteller, dass die Menge für 50 Waschladungen reiche. Zuvor waren 46 Ladungen angegeben. Allerdings galt diese Angabe für sehr hartes Wasser. Die dann später angegebenen 50 bezogen sich jedoch auf hartes Wasser, also auf niedrigere Härtegrade. Bezogen auf hartes Wasser hätte die alte Packung den Verbraucherschützern zufolge für 71 Waschladungen gereicht. Was unterm Strich einer Preiserhöhung von satten 46 Prozent gleichkomme.
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Der Hersteller verweist in seinem Statement auf eine neue EU-Richtlinie, die er verpflichtend umsetzen müsse. Demnach ergaben Prüfungen, „dass die aktiven Wirkstoffe pro Dosis in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern niedriger waren”. Um die Anforderungen der EU-Richtlinie zu erfüllen „und die bestmöglichen Ergebnisse für die Verbraucher zu gewährleisten, wurden die aktiven Wirkstoffe pro Dosis in Deutschland erhöht, wobei es zu keiner Änderung der Formulierung gekommen ist“, heißt es im Statement. Die Verbraucherschützer bezeichnen das als Nebelkerzen: „Die Qualität des Produktes war in Deutschland bisher schlechter. Der Konzern verbessert aber nicht die Rezeptur, sondern empfiehlt seinen Kundinnen und Kunden, eine größere Menge an Pulver pro Waschladung zu verwenden, um die schlechtere Rezeptur auszugleichen. Was für eine tolle Idee!“
Record Normal-Binde:
Schwierig zu erkennen ist für Kunden auch die versteckte Preiserhöhung bei einer Damenbinde-Marke. Zwar steht bei der „Record Normal-Binde“ explizit auf der im September zu habenden Verpackungsfront, dass 20 Binden enthalten sind. Doch wer nicht weiß, dass sich die Füllmenge vor der Änderung auf 26 Binden belief, erkennt nicht, dass es sich bei der vermeintlichen Preisreduktion von 1,79 auf 1,59 pro Packung laut Verbraucherzentrale in Wahrheit um eine Preiserhöhung von 16 Prozent handelt. „Wir haben unser Record-Produkt in diesem Jahr mit einer völlig neuen Bindenqualität auf den Markt gebracht“, entgegnete der Hersteller Kimberly-Clark. Für eine bessere Passform sei es jetzt anatomisch geformt. Dass die neue Verpackung 20 Binden umfasse, sei „auf der Vorderseite jeder Packung klar ersichtlich“.
Zetti Cocosflocken:
Der Preis wurde für dieses Produkt zwar erkennbar angehoben – gleichzeitig aber die Füllmenge reduziert, und zwar drastisch. Kostete laut Verbraucherzentrale die 250-Gramm-Packung vor der Änderung 99 Cent, wurden im September für 200 Gramm 1,29 Euro verlangt. Was den Angaben zufolge einer Preissteigung von enormen 62,9 Prozent entspricht. Und nicht, zieht man nur die unterschiedlichen Preisangaben heran, von 30 Prozent.
Die niedrigere Füllmenge sei aufgrund von gestiegenen Kosten in den Bereichen Rohstoffe, Verpackungen, Logistik und Energie notwendig geworden, teilt der Hersteller Goldbeck Süßwaren GmbH auf der Website der Verbraucherzentrale mit. „Eine weitere Belieferung in der 250-Gramm-Variante hätte zu einem Endverbraucherpreis geführt, der bei Zeiten hoher Inflationsraten und wenig verfügbaren Einkommen für Genussmittel zu einem Kaufverzicht geführt hätte. Da wir dem Kunden aber trotzdem den Genuss von Zetti Cocosflocken ermöglichen wollten, war dieser Schritt alternativlos.“