Die ersten zwölf Freiwilligen sind mit einem möglichen Corona-Impfstoff der Mainzer Biontech geimpft worden. Rund 200 Probanden sollen insgesamt teilnehmen.
MAINZ. Mainz. Die Suche nach einem Impfstoff gegen die vom Coronavirus verursachte Lungenkrankheit Covid-19 – für Biontech-Chef Ugur Sahin ist sie ein „Menschheitsprojekt“. Und in diesem Projekt spielt Biontech weltweit ganz vorne mit. Welchen Anspruch der Mainzer Spezialist für Immuntherapien an sich stellt, wird auch in dem Namen deutlich, den man dem Projekt intern gegeben hat: Lightspeed, Lichtgeschwindigkeit.
Und in der Tat ist weltweit bislang kaum ein Unternehmen schneller als Biontech. Schon die Genehmigung der geplanten Tests für einen Corona-Impfstoff an Menschen durch das Paul-Ehrlich-Institut erfolgte in Windeseile beziehungsweise in wenigen Tagen. Und mit diesen Tests hat der Mainzer Hoffnungsträger nun begonnen – nachdem man das Lightspeed-Projekt erst Mitte Januar gestartet hatte. Wie das Unternehmen und sei Kooperationspartner, der US-Pharmariese Pfizer, am Mittwoch mitteilten, wurde seit Beginn der Studie am 23. April den ersten zwölf freiwilligen gesunden Probanden der Impfstoffkandidaten BNT 162 gespritzt. Bislang gibt es weltweit nur vier Unternehmen, die schon so weit sind wie Biontech oder sogar schon weiter: Moderna und Inovio (USA) sowie Sinovac und Cansino (China). Die Nase vorn hat derzeit Moderna, das bereits Mitte März mit ersten klinischen Test begonnen hat.
Auch in den USA will man “in Kürze” mit Tests starten
Die Biontech-Studie ist den Angaben zufolge die erste klinische Prüfung eines Covid-19-Impfstoffkandidaten in Deutschland, die Mainzer haben hierzulande als erstes Unternehmen vom Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung erhalten. Die Biontech und ihr Kooperationspartner, der US-Pharmariese Pfizer, wollen jetzt auch mit entsprechenden Studien für BNT 162 in den Vereinigten Staaten beginnen, deren Genehmigung „in Kürze“ erwartet werde. Biontech kooperiert auch mit der chinesischen Fosun Pharma an der Entwicklung von BNT 162 innerhalb Chinas, wo die Unternehmen ebenfalls klinische Studien durchführen wollen.
Wie laufen die Tests in Deutschland bislang, wie geht es den Teilnehmern? Biontech hat dazu noch keine Angaben gemacht. Aber in der Branche geht man davon aus, dass alles nach Plan verläuft. Denn bei solchen Tests werde, nachdem der erste Freiwillige geimpft worden sei, in der Regel eine gewisse Zeit gewartet, bis weitere geimpft würden, heißt es. Da es mittlerweile zwölf Probanden seien, dürfte alles nach Plan verlaufen.
Insgesamt sollen an den genehmigten Studien ungefähr 200 gesunde Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren teilnehme, um zunächst die optimale Dosis für die weiteren Studien zu finden. Dosirt wird von einem bis 100 Mikrogramm. Außerdem sollen die Sicherheit und Immunogenität des Impfstoffes untersucht werden. Die Immunogenität ist die Eigenschaft eines Stoffes, im menschlichen Körper eine Reaktion des Immunsystems auszulösen.
Bei den genehmigten Tests handelt es sich um klinische Studien der Phasen eins und zwei. Solche Studien am Menschen haben in der Regel drei Phasen, bevor eine Zulassung für den Markt erteilt werden kann. Verlaufen die ersten Tests positiv, sollen mehr Probanden und auch Risikopatienten in die Prüfung einbezogen werden.
Weltweit sind inzwischen rund 100 Impfstoffprojekte angelaufen
Die Mainzer sind weiß Gott nicht die Einzigen, die dem Coronavirus den Garaus machen wollen. Seit dessen Ausbruch sind weltweit rund 100 Impfstoffprojekte angelaufen. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ungewissem Ausgang. Bei Biontech arbeitet ein Team an sieben Tagen die Woche und in drei Schichten an dem Projekt - also fast rund um die Uhr. Es binde mittlerweile „umfangreiche personelle Ressourcen“, sagt eine Sprecherin. Gefühlt jedoch sei „fast die ganze Firma“ involviert, heißt es im Unternehmen.
Es geht um enorm viel - nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Biontech. Experten haben berechnet, dass mehr als drei Milliarden Menschen geimpft werden müssen, damit die Seuche nicht immer wieder neu ausbricht. Für ein Unternehmen wie Biontech, das aktuell 1300 Mitarbeiter beschäftigt, sind solche Mengen nicht ansatzweise zu schaffen, auch wenn der Personalbestand stark wächst. Deshalb kooperiert man mit den Pharmariesen Pfizer und Fosun.
Biontech setzt auf die Immuntherapie - nicht nur im Kampf gegen das Coronavirus, sondern auch gegen Krebs oder die Grippe. Dabei nutzen die Mainzer künstlich hergestellte Boten-RNA (Ribonukleinsäure). Sie dient als Informationsträger, um eigens entwickelte Bauanleitungen für spezielle Proteine in den Körper einzuschleusen, mit denen Erkrankungen gezielt und individuell bekämpft werden können.