Biontech: Impfstoff bietet mehr als 90-prozentigen Schutz
Biontech nähert sich mit großen Schritten der Herstellung eines Corona-Impfstoffs. Erste Daten zur Wirksamkeit sind vielversprechend.
MAINZ. Das Corona-Impfstoff-Projekt von Biontech ist seinem Namen gerecht geworden: Lightspeed – Lichtgeschwindigkeit - hatte es das Mainzer Biotechnologieunternehmen genannt. Am Montag haben der Spezialist für Immuntherapien und sein Kooperationspartner, der US-Pharmariese Pfizer, die sehnsüchtig erwarteten ersten harten Zwischenergebnisse der Wirksamkeit seines Corona-Impfstoffes vorgelegt aus der für die Zulassung entscheidenden Phase III der Tests an Menschen. Als erstes Unternehmen in Europa und - nimmt man Länder wie Russland, China und Bahrain heraus, die Impfstoffe mit Einschränkungen aber ohne die nötigen Tests bereits freigegeben haben - der Welt.
Die Daten sind sehr vielversprechend. Laut Biontech hat der Impfstoffkandidat BNT162b2 in den Test „einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor einer COVID-19 Erkrankung gezeigt“. Das gilt gemeinhin bei solchen Zwischenergebnissen als ein hoher Prozentsatz. Unabhängige Experten zeigten sich beeindruckt. «Ehrlich gesagt ist das die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Januar erhalten habe», erklärte der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York mit Blick auf die ersten Meldungen im Januar, als das neue Coronavirus bekannt geworden war.
Jetzt kann alles sehr schnell gehen. Bis Mitte November erwarten die Mainzer auch erste harte Ergebnisse zur Sicherheit und zu Nebenwirkungen. Sobald diese Vorliegen, will man bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Notfallzulassung beantragen. In der EU hat das Zulassungsverfahren als rollierendes System, bei dem Biontech fortlaufend Testdaten zur Prüfung einreicht, quasi bereits begonnen. Der förmliche Zulassungsantrag soll bald folgen.
„Die erste Zwischenanalyse unserer globalen Phase-III-Studie weist darauf hin, dass ein Impfstoff Covid-19 verhindern kann. Dies ist ein Sieg für die Innovation, Wissenschaft und weltweite Zusammenarbeit. Als wir uns vor zehn Monaten auf diese Reise begaben, war es genau das, was wir erreichen wollten. Besonders heute, wo wir uns alle mitten in einer zweiten Welle befinden und viele von uns im Lockdown sind, wird dieser Meilenstein für uns umso bedeutsamer auf unserem Weg zur möglichen Adressierung dieser Pandemie und Rückkehr zur Normalität.“ Ugur Sahin, Biontech- CEO
Den Angaben zufolge wurden bei den Tests bis Sonntag 94 Fälle der Corona-Krankheit Covid-19 bestätigt. Die Verteilung der Probanden, die den Impfstoff verabreicht bekommen haben, und jenen nur mit Placebo weise „auf eine Wirksamkeit von über 90 Prozent hin“, so Biontech zu den Studienergebnissen. Ein Impfschutz liege 28 Tage nach Impfbeginn vor. Schwerwiegende Nebenwirkungen seien bislang nicht beobachtet worden. Ende Juli hatten Pfizer und Biontech die entscheidende Testphase III in verschiedenen Ländern begonnen. Mittlerweile haben mehr als 43 500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden.
„Die erste Zwischenanalyse unserer globalen Phase-III-Studie weist darauf hin, dass ein Impfstoff Covid-19 verhindern kann. Dies ist ein Sieg für die Innovation, Wissenschaft und weltweite Zusammenarbeit“, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin. „Als wir uns vor zehn Monaten auf diese Reise begaben, war es genau das, was wir erreichen wollten. Besonders heute, wo wir uns alle mitten in einer zweiten Welle befinden und viele von uns im Lockdown sind, wird dieser Meilenstein für uns umso bedeutsamer auf unserem Weg zur möglichen Adressierung dieser Pandemie und Rückkehr zur Normalität.“
Man werde weiterhin zusätzliche Daten sammeln, während der Prozess für eine abschließende Analyse fortgesetzt werde. „Diese ist geplant, wenn insgesamt 164 bestätigte COVID-19-Fälle aufgetreten sind“, so Sahin. Zudem wird geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.
Der Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln sprach von „großartigen und vielversprechenden Daten». «Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen, und ich hoffe, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden.“ Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg rechnete mit einer baldigen Zulassung. Allerdings geben Experten auch zu bedenken, dass die Daten zunächst nur aus einer Pressemitteilung stammen und nicht aus einer wissenschaftlichen Publikation. So fehlten etwa Daten zum Schutzeffekt in bestimmten Altersgruppen.
SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach spricht von Durchbruch
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat die Fortschritte des Mainzer Unternehmens Biontech und des Pharmakonzerns Pfizer bei der Impfstoff-Entwicklung als "Durchbruch" bewertet. "Es sind Zwischenergebnisse, aber diese Zwischenergebnisse fallen deutlicher aus, als es in Fachkreisen erwartet worden war", sagte Lauterbach am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist großartig." Es sei zudem ein Impfstoff, der wahrscheinlich nur wenige Nebenwirkungen habe. "Ich war immer fest davon überzeugt, dass uns der Impfstoff gelingt", sagte Lauterbach. Er könne sich vorstellen, dass der Impfstoff im Januar erstmals zum Einsatz kommen könnte.
Unser Podcast zum Thema
Impfstoff, Helau! Das Mainzer Unternehmen Biontech steht vor dem Sieg über das Coronavirus. Was und wer hinter dieser Firma steckt, warum die Pandemie noch lange nicht vorbei ist und ob wir dem Impfstoff trauen können, diskutieren Meike Hickmann und Frederik Voss mit Chefredakteur Friedrich Roeingh in unserem Podcast BabbelBox.