Das Bäckerhandwerk hat die „Alarmstufe Brot“ ausgerufen und fordert von der Bundesregierung schnell einen „Rettungsschirm“. Steigen die Preise für Backwaren weiter?
BERLIN. Das Bäckerhandwerk befindet sich ohnehin in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Für kleine Betriebe ist es schwierig, sich gegenüber den Bäckereiketten und den Angeboten in Supermärkten zu behaupten. Folge: Während sich der Gesamtumsatz der Branche in den vergangenen Jahren nur vergleichsweise wenig veränderte, sank die Zahl der Betriebe stetig. Von 2014 bis 2021 von rund 12.600 auf knapp 10.000. Ein Rückgang von mehr als 20 Prozent in nur sieben Jahren. Die Mitarbeiterzahl sank um mehr als 32.000 auf rund 240.000. Heißt auch: Die Betriebseinheiten sind größer geworden. Derzeit jedoch kann von einem Strukturwandel nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr steht das für die Versorgung der Menschen im Land so wichtige Gewerk vor „einer der größten Herausforderungen seiner Geschichte“, wie es der Zentralverband des Bäckerhandwerks ausdrückt.
Handwerk beklagt einen “Kosten-Tsunami”
Eine Bäckerei schließt hier, eine andere dort ihre Pforten – für immer. Man liest es ab und an. Doch es sind beileibe keine Einzelfälle. Vielmehr droht dem ganzen Gewerk wegen der Folgen des Ukraine-Krieges eine große Schließungswelle. „Ohne Hilfe seitens der Politik stehen zahlreiche Betriebe vor dem Ende ihrer Existenz, sind Tausende Betriebe und Arbeitsplätze gefährdet und die Versorgung der Bevölkerung vor allem im ländlichen Raum könnte zusammenzubrechen“, erklärte der Verband gegenüber dieser Zeitung. Heißt nicht weniger, als dass das Bäckerhandwerk die „Versorgungssicherheit mit Grundnahrungsmitteln gefährdet“ sieht.
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Grund sind die exorbitant gestiegen Kosten für Energie, die die energieintensiven Bäckereien besonders hart treffen, aber auch für Rohstoffe. Der Verband hat nun wegen dieses „Kosten-Tsunamis“, wie er es nennt, die „Alarmstufe Brot“ ausgerufen: „Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals, sie wissen nicht mehr, wie sie die Kosten stemmen sollen.“ Das Problem: Rund 70 Prozent der Betriebe backen mit Öfen, die mit Gas betrieben werden. Das die Betriebe derzeit im Vergleich zu früher bis zum Drei-, mitunter sogar bis zum Vierfachen koste. Die Gasumlage kommt noch obendrauf. Bei einigen schlage das bereits durch, bei anderen je nach Laufzeit der Kontrakte zeitversetzt, so der Verband. Eine Umrüstung auf Stromöfen sei „nicht immer technisch möglich, kostet immens viel Geld und ist nicht schnell zu realisieren (Handwerker, Dienstleister erforderlich)“. Aber auch der Strompreis klettert und klettert.
Hinzu kommt den Angaben zufolge, dass die Preise für so wichtige Rohstoffe wie Zucker, Mehl, Butter und Milch stark gestiegen sind – den Angaben zufolge um bis zu 80 Prozent – und noch weiter steigen. Zudem klettern die Personalkosten deutlich. So würden der steigende Mindestlohn und die hohe Inflation von zurzeit von fast acht Prozent eine „Kaskade steigender Löhne auslösen“. Und eigentlich müssten die Bäckereien, um die hohen Kosten aufzufangen, die Preise immer wieder erhöhen, doch das geht nach Angaben des Verbandes nicht ohne Weiteres. Und vor allem nicht in der erforderlichen Höhe. Kunden seien aufgrund der hohen Inflation und der Krise sehr preissensibel. „Es wird immer schwieriger, Preiserhöhungen durchzusetzen. Viele Bäcker spüren eine deutliche Kaufzurückhaltung der Kundschaft.“ Heißt: Die Menschen kaufen weniger – oder einfach woanders ein.
Unternehmen fehlt effektive Unterstützung
Um den „Kosten-Tsunami“ bewältigen und die Versorgungssicherheit weiter gewährleisten zu können, fordert das Bäckerhandwerk einen „Rettungsschirm“, eine „faire und nachhaltige Entlastung“ sowie konkrete Maßnahmen, die sich an kleine und mittelständische Unternehmen richteten. Und das “zeitnah”. Sei es durch eine “Deckelung der Energiekosten oder entsprechende Zuschüsse, eine weitergehende Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Gastro-Umsätze oder Ausnahmen von der CO2-Abgabe beziehungsweise Gas-Umlage“, heißt es in einem Positionspapier des Verbandes.
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„Trotz des Versprechens der Bundesregierung, niemanden allein zu lassen, fehlt unseren Unternehmen bislang effektive Unterstützung“, sei das dritte Entlastungspaket „noch nicht konkret, vor allem was die Entlastung der mittelständischen Betriebe betrifft“. Die Zeit dränge, denn die Betriebe stünden vor „extrem schwierigen Monaten“. Am Freitag teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit, dass „energieintensive Betriebe des Lebensmittelhandwerks wie etwa Bäckereien, Metzgereien und Brauereien künftig von dem Energiekostendämpfungsprogramm der Bundesregierung profitieren sollen“. Wie genau, ist aber noch unklar.
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