
Die Plakettenpflicht, die alte Stinker aus Großstädten aussperrt, gilt auch für emissionsfreie E-Autos. Eine Wiesbadener Studentin muss wegen des Verstoßes fast 400 Euro zahlen.
Wiesbaden. 56 Umweltzonen gibt es in Deutschland, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt gehören dazu. Nur Pkw mit einer grünen Umweltplakette sind dort zugelassen; wer ohne erwischt wird, muss mit einem saftigen Bußgeld rechnen. Was viele nicht wissen: Das gilt auch für Elektro-Autos, obwohl diese emissionsfrei unterwegs sind und meist ein E auf dem Kennzeichnen haben. Wie teuer ein Verstoß gegen die Vorschrift werden kann, hat eine Wiesbadener Studentin schmerzlich erfahren: Sie muss mehrere 100 Euro zahlen – und versteht die Welt nicht mehr.
Junis Marie Dörband studiert Medizin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und wohnt in einer Wohngemeinschaft in Wiesbaden. „Mir ist die Umwelt wichtig. Ich versuche, so gut ich kann Bio-Produkte zu kaufen und auf Plastik zu verzichten”, sagt die 25-Jährige über sich. Außerdem fährt sie seit eineinhalb Jahren ein Elektroauto. Leisten konnte sich Dörband den geleasten Hyundai dank eines Zuschusses der Eltern. Ihr Studium finanziert sie komplett selbst, arbeitet dafür neben der Uni als Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer Klinik.
Ein blauer Zettel, der viele Fragen offen lässt
Seit etwa drei Monaten lebt die junge Frau in einer Studenten-WG in Wiesbaden, wo sie auch regelmäßig ihr Auto parkt. „Vor Kurzem”, erzählt sie, „klemmte unter meinem Scheibenwischer ein blauer Zettel mit dem Hinweis, ich hätte einen Verkehrsverstoß begangen und würde in Kürze dazu ein Schreiben erhalten”. Einen Hinweis, um welchen Verkehrsverstoß es handelt, enthielt der Zettel nicht. „Ich dachte, ich habe vielleicht nicht korrekt geparkt, die Wiesbadener sind da ja recht streng.”
Doch an den folgenden Tagen klemmen zwei weitere Zettel an Dörbands Windschutzscheibe – und dann kommt ein Schreiben von der Bußgeldstelle in Kassel: „Sie nahmen trotz eines Verkehrsverbots zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen mit einem Kraftfahrzeug am Verkehr teil.” Kosten insgesamt: 128,50 Euro. „Meine erste Reaktion war: Da muss ein Missverständnis vorliegen”, erzählt Dörband. Sie ruft den Sachbearbeiter in Kassel an und erfährt, dass die Plakettenpflicht auch für E-Autos gilt.
Die entsprechende Verordnung gibt es seit 2007
Seit 2007 gibt es die entsprechende Verordnung. Mit ihr wurden nach und nach alte „Stinker” aus den Städten ausgesperrt, inzwischen wird fast überall nur noch die grüne Plakette der Schadstoffgruppe 4 akzeptiert. Sie ist gedacht für Benziner mit Kat, moderne Diesel und Erdgas-Fahrzeuge. Aber: „Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor werden der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet.” So steht es in der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Einziger Rabatt bei Verstoß dagegen für Besitzer von E-Autos: Es gibt keinen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei.
Rechtlich ist die Lage also klar, so absurd sie einem auch vorkommen mag. Den Kommunen kommt die Plakettenpflicht für E-Fahrzeuge durchaus gelegen. Sie erleichtert die Überwachung der Umweltzonen, weil der Blick auf die Windschutzscheibe genügt. In den meisten Fällen kümmert sich im Übrigen der Händler um die Plakette. Bei Dörband war das nicht der Fall. Sie hat das Auto in Hamburg gekauft. Der Händler habe ihr damals erklärt, eine Plakette brauche sie nicht, weil es ein E-Auto sei. „Auf diese Auskunft habe ich mich leider verlassen.”
Auf den ersten Bußgeldbescheid folgen zwei weitere
Dumm gelaufen, denkt sich die Studentin – und zahlt. Doch damit ist es nicht vorbei. Es folgen zwei weitere Bußgeldbescheide. Jetzt legt Dörband Widerspruch ein. Sie räumt ihren Irrtum ein, führt die falsche Auskunft des Autohändlers ins Feld, begründet die Wiederholung der Ordnungswidrigkeit damit, dass ihr nicht die Art des Vergehens mitgeteilt wurde, bittet um Kulanz, weil sie als Studentin Geringverdienerin sei. Die Antwort: „Auf Ihren Einspruch habe ich die getroffene Entscheidung noch einmal überprüft. Nach eingehender Würdigung aller Gesichtspunkte sehe ich jedoch keinen Anlass, eine für Sie mildere Entscheidung zu treffen.“
Die Stadt Wiesbaden erklärt sich für nicht zuständig
Bei der Stadt Wiesbaden erklärt man sich für nicht zuständig. Weil das Bußgeldverfahren beim Regierungspräsidium in Kassel liege, „hat die Stadt keinen Einfluss auf die Menge der Zahlungsaufforderungen”, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Zur Praxis, Verkehrsteilnehmer bei Verstößen nur allgemein auf diese hinzuweisen, heißt es, nicht jede Ordnungswidrigkeit finde auf den blauen Zetteln Platz. Bestätigt wird, dass Dörband nicht die einzige Besitzerin eines E-Autos ist, die in Wiesbaden zur Kasse gebeten wurde; zur Zahl der Fälle könne man jedoch keine Angaben machen.
Fast 400 Euro für eine nicht vorhandene grüne Plakette an einem emissionsfreien Auto – Junis Marie Dörband ist empört und frustriert: „Mir fehlen die Worte. Eine dermaßen hohe Bestrafung wegen eines Umweltverstoßes, den ich nicht begangen habe?” Jetzt muss die Medizinstudentin erstmal sparen. 1100 Euro im Monat verdient sie mit ihrem Job, 480 Euro zahlt sie allein für ihr WG-Zimmer. „Da sind 400 Euro schon heftig.” Ein bisschen Geld hat Dörband aber noch investiert – und sich eine grüne Plakette für ihren Hyundai besorgt. Die gibt es für ein paar Euro bei Städten und Gemeinden, beim TÜV und in Werkstätten.