Die "Grande Dame" der Leichtathletik tritt ab: Anja Wolf-Blanke verabschiedet
Die Alsfelderin Anja Wolf-Blanke hat nach zwölf Jahren an der Spitze des Hessischen Leichtathletik-Verbandes die Amtsgeschäfte an Klaus Schuder übergeben.
Von Alexander Fischer
Chefreporter Wetzlar
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WETZLAR - Für Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ist sie "eine herausragende Persönlichkeit, die sich um den Sport in unserem schönen Bundesland verdient gemacht hat." Rolf Müller, der Präsident des Landessportbundes (LSB), bezeichnete sie als "außergewöhnliche Frau", als "Grande Dame" der Leichtathletik und als Ehrenamtlerin, die ihr Amt "unbefleckt", also frei von Skandalen, verlassen wird. Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner sprach von "stets angenehmen Begegnungen" mit ihr. Jochen Schweitzer, beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) für die Finanzen zuständig und in Vertretung des erkrankten Präsidenten Jürgen Kessing nach Wetzlar gereist, lobte, sie habe "stets ein offenes Ohr für die Athleten" gehabt. Und Klaus Schuder hofft, die neue Aufgabe "auch nur annähernd so gut" ausüben zu können, wie seine Vorgängerin.
Nach 28 Jahren im Präsidium des Hessischen Leichtathletik-Verbandes (HLV) und zwölf Jahren als dessen Präsidentin trat Anja Wolf-Blanke (Alsfeld) am Samstag in der Stadthalle beim 45. Verbandstag von ihrem Amt zurück. Dass die Delegierten aus den 27 Kreisen Schuder zu ihrem Nachfolger bestimmten, war bereits seit Monaten klar. Auch, dass die Anwesenden der oft streitbaren und nicht immer unumstrittenen 62-Jährigen einen würdevollen Abschied ohne Misstöne bereiten wollten, ebenso.
So verlief die zweitägige Veranstaltung, die gut und gerne auch an einem hätte über die Bühne gehen können, reibungslos. Und sogar emotional, wofür die ehemalige Klasse-Hochspringerin (1,87 Meter) mehrfach selbst gesorgt hatte. Als sie langjährige Mitstreiterinnen erwähnte und schließlich ihrem Mann Martin dafür dankte, "unsere Kinder oft alleine großgezogen" zu haben, da sie oft unterwegs gewesen sei, flossen bei der Hobby-Bildhauerin sogar Tränen. "Du hast dich stets vor mich, hinter mich oder an meine Seite gestellt, das werde ich dir nie vergessen", stockte die Stimme von Anja Wolf-Blanke, als sie ein letztes Mal ans Rednerpult trat.
Zuvor hatte sie Bilanz gezogen und einige Kernpunkte ihrer 2007 begonnenen Präsidentschaft herausgearbeitet. Beispielsweise, dass unter ihrer Führung der Etatentwurf von einst 955 000 auf nun 1 250 000 Millionen Euro gesteigert werden konnte. Dass sich statt zweier Voll- und zweier Halbtagsarbeitsplätze inzwischen 14 hauptamtliche Beschäftigte als Servicezentrale um die Belange der Mitglieder kümmern. Dass zahlreiche hessische Haupt- und Ehrenamtler nun als Bundesstützpunktleiter, Trainer, Ärzte, Physiotherapeuten oder Moderatoren in Diensten des DLV stehen. Dass Portale wie Facebook oder Instagram nahezu täglich von der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise aus bespielt werden. Dass nach dem Umbau des Frankfurter Waldstadions zu einer reinen Fußball-Arena mit dem Auestadion in Kassel, 2021 Austragungsort der nationalen Titelkämpfe, endlich wieder ein meisterschaftsfähiges Stadion zur Verfügung steht. Und dass die HLV-Trainingsanlage in der Frankfurter Hahnstraße ausgebaut wurde.
Anja Wolf-Blanke fand jedoch auch kritische Worte zu ihrer Sportart, die sie als Athletin und Funktionärin ein Leben lang begleitet hat.
Sie prangerte an, dass bei einer WM-Vergabe an den Persischen Golf die Belange der Sportler hinten angestellt werden und die Atmosphäre mangels Zuschauern um Lichtjahre von der, beispielsweise bei der EM in Berlin, entfernt gewesen sei. Sie rügte, dass aufgrund eines neuen Qualifikationssystems des Weltverbandes Spitzenathleten kaum noch vor heimischem Publikum antreten könnten, wenn sie international erfolgreich sein wollten. Und sie ärgerte sich darüber, dass bei Titelkämpfen immer mehr der Eventcharakter zähle, weshalb Zeitpläne gestrafft, Teilnehmerzahlen beschränkt, Normen erhöht und Siegerehrungen ausgelagert würden.
An der Lahn, also dort, wo noch im Juni die U23-Meisterschaften ohne Beteiligung des TV Wetzlar stattgefunden hatten, erlebte Anja Wolf-Blanke einen Abschied ohne Zank und Streit. Auch Lars Wörner (TV Wetzlar), einer von sechs Delegierten des Kreises Wetzlar, nahm sie in den Arm, als er selbst ausgezeichnet wurde. Und LSB-Chef Rolf Müller reihte sich in den Kreis derer ein, die Präsente überreichen durften: "Weil du immer gesagt hast, dass dir ein Onkel, der etwas mitbringt, allemal lieber ist als eine Tante, die nur Klavier spielt."