ARD-Frauenfußballexpertin Nia Künzer: „Ich war eher hilflos.“

Nach 17 Jahren ist Schluss für Nia Künzer. Bei der Frauen-WM ist sie nun das letzte Mal am Mikrofon als ARD-Frauenfußballexpertin.
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Toleranz, Vielfalt, Vorreiterrolle – drei Begriffe, die den Frauenfußball, laut Weltmeisterin Nia Künzer, auszeichnen. Hilflos war sie, als es beinahe zum TV-Blackout der WM kam.

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Frau Künzer, nach den Weltmeistertiteln 2003 und 2007 und den acht Europameistertiteln flachte die Begeisterung im Liga-Alltag oft ziemlich schnell ab. Erst nach der Europameisterschaft vergangenes Jahr war das anders – es gab vor allem mehr Fans in den Stadien, sogar zwei Zuschauerrekorde. Was ist anders als vor zehn oder 15 Jahren, obwohl die DFB-Frauen „nur“ Vize-Europameisterin wurden?

Das ist ja ein Skandal, nur Zweiter zu werden (lacht). Grundsätzlich finde ich, dass auch die Erfolge davor eine Wirkung hatten. Das Thema Fußball im Mädchensport ist, meiner Meinung nach, von 2003 bis zur WM 2011, normaler geworden. Das ist auch eine Wirkung, auch wenn‘s jetzt nicht auf die Liga übertragbar ist. Aber bei der Europameisterschaft waren es viele Aspekte. Einerseits natürlich die Herangehensweise, wie die Uefa das Turnier organisiert hat, die TV-Reichweite, dadurch auch die Sichtbarkeit. Auch die für uns günstigen Übertragungszeiten und die sportliche Leistung, die sehr viele Menschen nochmal überzeugt hat, was für ein großartiger und qualitativ hochwertiger Sport es ist. Dazu kommt das Team, die Art und Weise, wie die Mädels aufgetreten sind. Sie spielen mit Leidenschaft und Emotionen Fußball, sind aber auch sehr authentisch, intelligent und nahbar. Ich glaube, das sind alles Dinge, die zum richtigen Zeitpunkt kamen. Gerade England hat gezeigt, dass es ein enormes Entwicklungspotenzial gibt. Große Unternehmen und TV-Sender sind damals Partnerschaften eingegangen. Wir haben auch in Deutschland Gesichter, die eine Sportart braucht. 18 Millionen haben das EM-Endspiel gesehen. Und wir haben jetzt in der Liga gesehen, wenn große Partien oder Highlight-Spiele anstehen, dass die Zuschauer kommen. Durch diesen Erfolg bei der EM haben Vereine und Mannschaften Mut, in große Stadien zu gehen.

Denken Sie, dass Social Media hierbei eine ganz große Rolle spielt, da viele Spielerinnen eine große Reichweite haben?

Man kann auch sagen: Wo spielt Social Media keine Rolle? Social Media bietet eine große Möglichkeit, einerseits für Spielerinnen, als einzelne Persönlichkeiten, aber natürlich auch für Vereine und Verbände, sichtbar zu sein. Es gibt auch Schattenseiten, aber Social Media hat sich im Moment als die Plattform für den Fußball der Frauen entwickelt, das muss man ganz ehrlich sagen. Das ist eine ganz große Chance, sich selbst „zu vermarkten“, Partnerschaften einzugehen und die gewünschte Sichtbarkeit zu erlangen. 

Der Frauenfußball ist im Spiel anders als der Fußball der Männer. Wie Sie selbst im Buch sagen, gibt es weniger Diskussionen, Theatralik und Pöbeleien; es wird auch fairer gespielt. Was können die Männer bei den Frauen abgucken?

Es gibt mehr Spielfluss, nicht zu viele unnötige Unterbrechungen und es wird weitestgehend fair und respektvoll miteinander umgegangen. Es gibt auch mal Rote Karten und hitzige Diskussionen, aber es bewegt sich alles im Rahmen. Anders als im Männerfußball gibt es die Nähe zu den Zuschauern, auch weil die Spielerinnen sehr authentisch und nahbarer sind. Sie repräsentieren viele gesellschaftliche Bereiche und sind Vorbilder für junge Mädels. Insgesamt ist der Bereich deutlich vielfältiger besetzt und sie haben eine tolerantere Ausstrahlung bei vielen Themen. Zum Beispiel das Thema Homosexualität, das ist hier viel normaler als im Umfeld von Männerfußball. Das würden sich ganz bestimmt viele im Männerbereich wünschen, aber hier ist die Gesellschaft sicherlich ein Stück weiter.

Dennoch kommt es vor, dass Spielerinnen Hasskommentare, die sexistisch, rassistisch oder homophob sind, bekommen. Im Buch schreiben Sie, dass Sie nie wirklich welche bekamen, da es damals noch kein Social Media gab, auf dessen Plattform sich Anonyme austoben konnten. Was würden Sie diesen Spielerinnen raten, und wie sollte der DFB Hilfe leisten?

Naja, das ist nicht nur ein Thema im Frauenfußball, sondern leider ein gesellschaftliches Problem. Das Phänomen, was sich wie auf Social Media abspielt oder in der Art der Kommunikation, ist eine gesellschaftliche Herausforderung – keines des Frauenfußballs. Natürlich kann man nur den Spielerinnen raten, sich da abzugrenzen und möglicherweise das verfolgen zu lassen. Je nachdem, wie die Social Media-Konten der Spielerinnen betreut werden, kriegen die Spielerinnen vielleicht das alles nicht mit. Aber Unterstützung und Hilfe sollte sie sich bei Bedarf holen.

Denken Sie, durch Spielerinnen wie Giulia Gwinn oder Lena Oberdorf, die auf Social Media aktiv sind, trauen sich mehr Mädchen, Fußball zu spielen?

Durchaus, klar. Das sind Vorbilder in verschiedenen Bereichen des Lebens. Vor allem zu sagen: „Pass mal auf, wenn du was machen möchtest, dann mach das. Du kannst das und du darfst das!“ Mädels, aber auch Jungs brauchen Vorbilder, um sich orientieren zu können. Letztendlich bleiben sicherlich einige beim Fußball hängen, was auch total schön ist, weil wir die Aktivenzahlen entwickeln wollen. Aber fast noch wichtiger ist, dass es weibliche Vorbilder gibt, die zeigen, was man erreichen kann und darf.

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Im DFB-Team wird viel von „Sichtbarkeit des Frauenfußballs“ gesprochen. Wie lange wird es dauern, bis die Frauen beispielsweise die gleiche Aufmerksamkeit in der Berichterstattung bekommen?

Ich glaube, das ist nicht der Vergleich, den wir ziehen sollten. Das ist der falsche Maßstab. Ziehen wir den Vergleich zu anderen Sportarten, ist das Ergebnis sehr, sehr positiv. Trotzdem wünschen wir uns die weitere Entwicklung. Aber Frauensport insgesamt ist unterrepräsentiert. Und genau daran müssen wir arbeiten. Frauenfußball nimmt in meiner Wahrnehmung im Moment eine Vorreiterrolle ein. Das heißt nicht, dass wir die Sportschau oder das Sportstudio auf Links drehen müssen, ich würde mir wünschen, dass dort auch vielfältiger über andere Sportarten berichtet wird. Die Situation ist für andere Sportarten viel prekärer.

Um mal auf Ihre Wurzeln zurückzukommen: Was sagen Sie zur Fusion ihres ehemaligen Klubs FFC Frankfurt mit Eintracht Frankfurt? 

Ich war letztendlich auch der Auffassung, dass es keine andere Alternative gibt, wenn der Frauenfußball in Frankfurt weiterhin wettbewerbsfähig sein möchte. Die Tendenz zu Lizenzvereinen gibt es schon seit den letzten zehn Jahren und wir sehen es in Potsdam, dass es einfach schwierig ist, konkurrenzfähig zu bleiben. SGS Essen bewundere ich dafür sehr, aber es wird nicht leichter. Im Moment sehe ich es bei der Eintracht sicherlich als Erfolg mit einmal Pokalfinale und zwei Champions-League-Qualifikationen. Vielleicht kommt es zum nächsten Schritt mit der Teilnahme an der Champions League. Es ist klar, dass die Konkurrenz im Inland und insbesondere im Ausland sehr groß ist. Eine Mannschaft an den Start zu bringen, die vielleicht mal FC Bayern oder VfL Wolfsburg Konkurrenz machen soll, ist wahnsinnig schwer. Es ist sowieso schwer für die deutsche Liga, bei der Konkurrenz aus England, Spanien oder Frankreich perspektivisch deutsche Spielerinnen zu halten, aber auch Internationale zu bekommen. Grundsätzlich kann man aber bisher mit dem sportlichen Abschneiden doch zufrieden sein.

Mittlerweile haben die Eintracht-Frauen eine sehr gute Infrastruktur, dürfen auch auf dem Eintracht-Gelände trainieren. Sie selbst mussten damals auf Ascheplätzen trainieren. Bei einigen Bundesligavereinen haben die Frauen nicht mal eine Kabine für sich. Was muss der DFB tun, um das nachhaltig zu verbessern?

Ich weiß nicht, ob man immer sagen kann, „der DFB muss, muss, muss...“. Die Infrastruktur muss jeder Lizenzverein prüfen. Sich fragen, ob er auch wirklich seinem Frauenfußballteam auch in dem Maße unterstützt, wie es die Rahmenbedingungen eigentlich hergeben würden. Wir haben natürlich auch einen neuen TV-Vertrag, der auch ein bisschen Geld in die Vereine spült und anderes möglich macht. Die Vereine bekommen neue Partnerschaften oder die Möglichkeit, eigene Sponsoren zu generieren. Ab kommender Saison ist die Telekom beispielsweise bei Köln auf dem Trikot drauf. Das ist ein bisschen Arbeit, aber alle Akteure müssen das mit Ernsthaftigkeit vorantreiben. Da kann ich nicht immer nur auf den DFB zeigen. Aber es sind schon einige Schritte gegangen worden: Die Liga, die Vereinsrechte, die Namensrechte an Google Pixel wurden vermarktet und der TV-Vertrag ist mit erhöhten Erlösen über die Bühne gegangen. Das muss sich so weiterentwickeln. Der DFB hat sich mit der Strategie FF27, die Doris Fitschen federführend koordiniert, in verschiedenen Bereichen Ziele gesetzt. Diese müssen mit Ernsthaftigkeit und Geschlossenheit verfolgt werden. 

Am 3. Juni erschien Ihr gemeinsames Buch mit Bernd Schmelzer „Warum Frauen den besseren Fußball spielen“. Im Prolog erwähnen Sie, dass Sie sich nach dem Finale in London gemeinsam dazu entschieden haben, das Buch zu schreiben. Was war der ausschlaggebende Punkt?

Das war so: Wenn nicht jetzt, wann dann. Das Momentum war da. Bernd und ich machen das auch schon eine Zeit lang gemeinsam. Von Bernd kam die Initiative und er hat auch einfach das Gespür dafür. Dann war klar, zwischen EM und WM sollte das passieren. Wir hatten auch das Gefühl, dass die EM ein Punkt war, wo eine nachhaltige Entwicklung möglich ist.

Wie lange hat das gedauert?

Wir mussten ziemlich schnell sein, wenige Monate.

Die Zusammenarbeit mit Herrn Schmelzer war somit ziemlich einfach?

(lacht). Ja, gibt es da Zweifel?

So schnell ein Buch zu schreiben, ist nicht immer leicht!

Ja, wir mussten uns natürlich schnell und häufiger abstimmen, das ist klar. Aber wenn beide Seiten sehr zuverlässig und zielorientiert sind, was beides in unseren Charaktereigenschaften liegt oder auch unser Leben sowieso fordert, hat das ganz gut geklappt.

Warum sollten Menschen Ihr Buch lesen?

Wer sportbegeistert ist und sich dafür interessiert, welche positiven Aspekte und Persönlichkeiten der Frauenfußball zu bieten hat, für den ist das Buch genau das Richtige. Und natürlich wer mehr über diesen tollen Sport erfahren will, als was allgemein schon darüber gesprochen wird. 

Provokanter Titel: Die beiden Fußballliebhaber veröffentlichten ihr gemeinsames Buch am 03. Juni über ihren geliebten Sport.
Provokanter Titel: Die beiden Fußballliebhaber veröffentlichten ihr gemeinsames Buch am 03. Juni über ihren geliebten Sport.
© Edel Verlag

Lange war unklar, ob ARD und ZDF überhaupt die Weltmeisterschaft der Frauen übertragen. Wie haben Sie das als ARD-Expertin und Weltmeisterin gesehen? Waren Sie enttäuscht?

Ich war eher hilflos. Ich habe das genauso verfolgt wie alle anderen und hatte auch genau die gleichen Informationen. Das Turnier ist zum ersten Mal alleine vermarktet, aber meiner Meinung nach, zu spät ausgeschrieben worden. Einerseits zieht die Fifa mittlerweile auch daraus ein wirtschaftliches Potenzial. Natürlich möchten sie auch die Frauen fördern. Sie hätten aber durchaus mit dem Gewinn in der Vergangenheit auch die Möglichkeit gehabt, den Frauenfußball zu fördern. Was mich sprachlos gemacht hat, war, wie lange das gedauert hat, wie kurzfristig es dann doch vergeben wurde und erst dann Klarheit herrschte. Von meinem inneren Gefühl her bin ich davon ausgegangen, dass es letztendlich zu einer Einigung kommt, ohne mehr zu Wissen als alle anderen. Für mich war das einfach undenkbar, dass es anders kommen könnte. Nichtsdestotrotz ist es sehr ungünstig, so eine Entscheidung kurzfristig zu treffen. Letztendlich kann man sagen, dass es einerseits unsäglich ist, aber andererseits hat das natürlich die WM, ohne dass es um sportliche Belange ging, nochmal in den Fokus gerückt. Wenn man überhaupt etwas Positives daraus ziehen kann. Es ist nicht so, dass man sagen kann, dass alle Beteiligten einen Riesen-Job gemacht haben. Das muss in Zukunft anders laufen.

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Abschließend: Wie stehen die Chancen der Nationalmannschaft bei der WM?

Das ist natürlich immer so ein Blick in die Glaskugel. Bei dem Team muss der Anspruch sein, Gruppenerster zu werden – allein von dem Potenzial und der individuellen Qualität. Und ab da ist im Grunde schon fast jedes Spiel ein Endspiel. Wenn Brasilien oder Frankreich im Achtelfinale kommt, muss die Mannschaft schon an ihr Limit gehen. Ich würde es mir wünschen, dass sie ins Halbfinale kommen, aber die Konkurrenz ist sehr stark. Im Grunde ist es eine Europameisterschaft mit noch zusätzlich Brasilien, USA, Kanada und Japan. Es wäre komisch, wenn wir sagen würden, es ist eine WM und wir marschieren da durch. Es ist ein großes Turnier mit mittlerweile 32 Mannschaften, auch mit vielen Neulingen. Aber Fakt ist, dass im Achtelfinale schon ein sehr starker Gegner warten kann, so ist nun mal der Turnierbaum aufgebaut. Bei solchen Spielen entscheiden möglicherweise schon Kleinigkeiten.