Die Rhön ist eine der dunkelsten Regionen Deutschlands. Insbesondere jetzt im August lockt sie Sternengucker, die den Sternschnuppenregen der Perseiden beobachten wollen.
. Die Steppen Südafrikas, die chilenische Atacama-Wüste oder die Sahara: Die besten Orte für Sternengucker liegen meist fernab jeglicher Zivilisation und sind in Zeiten der Corona-Pandemie unerreichbar weit weg. Doch auch mitten im dicht besiedelten Deutschland gibt es Gegenden, die in sternenklaren Nächten dunkel genug sind, um mit so mancher entlegenen Wüste mithalten zu können – selbst knapp zwei Autostunden vom Rhein-Main-Gebiet entfernt. Dort liegt das Unesco-Biosphärenreservat Rhön, das sich zwischen den Bundesländern Hessen, Thüringen und Bayern erstreckt. Es trägt seit 2014 die Auszeichnung „Internationaler Sternenpark“ der Dark Sky Association.
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Bis dahin war es ein weiter Weg, berichtet die Koordinatorin des Sternenparks beim Landkreis Fulda, Sabine Frank: „Wir sind hier eine kleine dunkle Bastion, wie ein gallisches Dorf umzingelt von hellen Städten“, sagt sie. „Licht ist heute so billig und wird vielerorts so beliebig und verschwenderisch genutzt.“ Der Durchbruch der LED-Technologie habe diesen Trend verstärkt. In vielen Privatgärten glimmen die ganze Nacht über Solarleuchten, Firmengebäude werden rund um die Uhr angestrahlt, um sie in Szene zu setzen. Diese Dauer-Bestrahlung schaltet nicht nur die Sterne am Himmel aus, sie setzt auch viele Tiere und Pflanzen unter Stress. Mit jahrelanger Überzeugungsarbeit gelang es Frank und ihrem Team, Kommunen, Gewerbetreibende und Einwohner der Rhön für das Thema Lichtverschmutzung zu sensibilisieren – mit Erfolg. Straßenlaternen wurden ausgetauscht, Beleuchtungskonzepte verändert. „Und wir müssen uns ständig aufs Neue beweisen, denn der Sternenpark wird jedes Jahr evaluiert“, schildert sie.
Dennoch sind unsere Erwartungen bei unserem Kurztrip nach Gersfeld nicht sonderlich hoch, denn schließlich sind wir vor einigen Jahren in der einsamen Kalahari-Wüste Namibias in den Genuss eines perfekten Sternenhimmels gekommen – so gut können die Bedingungen in Deutschland doch gar nicht sein. Oder? Einige Stunden nach Sonnenuntergang staunen wir nicht schlecht, als wir den Blick nach oben richten: Der Himmel ist pechschwarz, kein Wölkchen trübt die Sicht und zudem haben wir noch eine zwar äußerst kühle und windige, dafür aber extrem dunkle Neumond-Nacht erwischt. Bei diesen perfekten Bedingungen kommen unzählige selbst winzig kleine Sterne und diffuse Nebel zum Vorschein, die man im Rhein-Main-Gebiet nie zu Gesicht bekommt. Selbst in ländlichen Regionen überstrahlen die Großstädte des Ballungsraums nahezu alles. Während in Städten wie Frankfurt und Darmstadt nur vereinzelt ein paar Sterne blinken, dehnt sich hier über der Rhön ein ganzer Teppich voller Leucht-Sprenkel aus – ganz ähnlich wie in Namibia. Wir haben uns als Beobachtungspunkt den Parkplatz „Fuldaquelle“ auf der Wasserkuppe ausgesucht. Die ist mit 950 Metern Hessens höchster Berg und bietet einen perfekten Rundumblick.
Am deutlichsten springen uns in dieser mondlosen Nacht die beiden strahlend hellen Planeten Jupiter und Saturn ins Auge, die dicht beieinander im Süden stehen. Weit nach Mitternacht sind dann auch die letzten Lichter der Abenddämmerung verschwunden und nach und nach breitet sich ein diffuser, leuchtender Nebel von Norden nach Süden quer über den gesamten Himmel aus. Es ist die Milchstraße. „Zu dieser Jahreszeit ist sie von Deutschland aus besonders gut zu sehen, denn sie steht im Zenit“, weiß Sabine Frank, die auch Sternenführungen anbietet.
Wir haben bei unserem Aufenthalt Ende Juli zudem noch das Glück, Komet „Neowise“ zu erspähen, der sich schon wieder auf dem Weg in die Tiefen des Alls befindet. Der erst im März dieses Jahres entdeckte Schweifstern, der in sicherer Entfernung an der Erde vorbei reiste, ist zwar längst nicht mehr so hell wie noch vor einigen Wochen, aber immer noch ziemlich beeindruckend. Scheinbar reglos und stumm steht er mit seinem langen Schweif am Nordwesthimmel. Im Laufe des August wird er allerdings von der Dunkelheit verschluckt.
Dafür stehen in diesem Monat die Chancen für Sternschnuppen-Jäger sehr gut: „Mit dem jährlichen Sommerfeuerwerk der Perseiden, dem Sternschnuppenflug aus dem Sternbild Perseus im Nordosten, ist vor allem in der Nacht vom 12. auf den 13. August zwischen 22 und 4 Uhr zu rechnen“, kündigt Sternenführerin Frank an. „Doch auch den ganzen übrigen Monat über ist himmlischer Funkenflug möglich.“ Zu dem Phänomen kommt es jedes Jahr um diese Zeit, wenn die Erde die Staubspur durchkreuzt, die einst ein Komet hinterlassen hat. Die kleinen Partikel verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre und hinterlassen dabei Leuchtspuren.
Passend zu diesem Himmelsspektakel finden in der Rhön die Sternenparkwochen statt. Sternenführer wie Sabine Frank vermitteln den nächtlichen Besuchern dann nicht nur Wissen über die Sterne, sondern auch über die negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung für die Tier- und Pflanzenwelt. „Es freut mich immer, wenn Kinder nach den Führungen ihre Eltern dazu auffordern, die Solarleuchten aus dem Garten zu entfernen“, sagt Frank. Wer solche Tipps beherzigt, verbessert nicht nur die Bedingungen für Sternenbeobachtungen, sondern bietet vielen Lebewesen ihre dringend benötigten Rückzugsorte.
Von Meike Mittmeyer-Riehl