Die nördliche Polarregion der Erde ist ein ebenso überwältigendes wie fragiles Wunder der Natur. Foto: Daniel Holzer
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Der Mensch hat sich fast die gesamte Erde untertan gemacht. Es gibt aber noch Regionen, die gewähren ihm lediglich Gastrecht. So wie die Arktis. Das Polargebiet im Norden ist aufgrund seiner extremen Umweltbedingungen lebensfeindlich. Selbst im wärmsten Sommermonat Juli bleibt die Höchsttemperatur in der arktischen Region unter zehn Grad Celsius. Nur wenige Tierarten und Polarvölker wie die Eskimos trotzen Kälte, Eis und karger Landschaft.
Auch wenn Flora und Fauna überall sonst auf der Welt üppiger und vielfältiger ausfallen, gehört die Arktis zweifellos zu den faszinierendsten Gebieten der Erde. Als Kreuzfahrttourist besteht die Möglichkeit, dieses Naturwunder hautnah zu erleben. Ein möglicher Einstiegspunkt, um die Arktis zu erkunden, befindet sich im Norden Europas. Gute vier Flugstunden von Düsseldorf aus liegt die zu Norwegen gehörende Inselgruppe Spitzbergen.
Sie wird auch als „Tor zur Arktis“ bezeichnet. Rund 2 700 Menschen leben dort – und sie sind somit klar in der Unterzahl. Spitzbergen beherbergt 3 500 Eisbären, die Könige der Arktis. Die Siedlung Longyearbyen verfügt neben einem kleinen Flughafen auch über einen Hafen. Von hier aus begibt sich zum Beispiel die MS Fram von Hurtigruten auf eine mehrtägige Reise durch die sogenannte Hohe Arktis. In deren Verlauf bekommt man einen guten Eindruck von der überwältigenden Schönheit der Polarregion.
Die nördliche Polarregion der Erde ist ein ebenso überwältigendes wie fragiles Wunder der Natur. Foto: Daniel Holzer Foto: Daniel Holzer
Der Hornsund im Nationalpark Süd-Spitzbergen war bis 1973 eine Anlaufstelle für Trapper, die hier Jagd auf Eisbären machten, bevor die Tiere unter Artenschutz gestellt wurden. Foto: Daniel Holzer Foto: Daniel Holzer
Obwohl es die meiste Zeit nur Fels und Eis zu sehen gibt, halten Reisende jeden Eindruck von der Arktis mit dem Fotoapparat fest. Foto: Daniel Holzer Foto: Daniel Holzer
Die Mitglieder der Expeditionscrew (im Foto links) gehen nur bewaffnet an Land, falls mal ein Eisbär vorbeischauen sollte. Foto: Daniel Holzer Foto: Daniel Holzer
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Erstes Ziel der Tour ist der Nationalpark Nordwest-Spitzbergen. Vom Schiff aus sehen die Reisenden die vielen kleinen Inseln und Fjorde an sich vorüberziehen und bekommen ein Verständnis dafür, woher Spitzbergen seinen Namen hat. Die schroffen und spitzen Berge des Gebiets waren das Erste, was Willem Barent erblickte, als er das Archipel 1596 entdeckte.
Die niedrigen Temperaturen, eisige Winde und steinige Felsen lassen die Vermutung aufkommen, dass der Mensch nie auf die Idee gekommen ist, sich hier längere Zeit niederzulassen. Doch der Eindruck täuscht. Im Magdalenefjord, einer der möglichen Anlandestellen des Schiffes, stößt man auf die Überreste eines umstrittenen Wirtschaftszweigs: dem Walfang. Im 16. Jahrhundert befand sich dort eine Walfangstation. Teile von Öfen sowie ein großer Friedhof, auf dem mehr als 100 Walfänger begraben liegen, sind heute noch zu sehen.
INFORMATION
Polarregionen: Im Unterschied zur Antarktis im Süden handelt es sich bei der Arktis nicht um einen Kontinent, sondern um ein großes zugefrorenes Meer, das an eisbedeckte Gebiete in Nordamerika, Asien und Europa angrenzt.
W Reise: Das norwegische Kreuzfahrtunternehmen Hurtigruten bietet mehrere Reisemöglichkeiten in die Arktis und Antarktis an. Informationen zu den Touren gibt es unter 040-87 40 83 58 sowie im Internet auf www.hurtigruten.de.
Ob sich für die Reisenden wirklich die Möglichkeit ergibt, zu Fuß auf Entdeckertour zu gehen, hängt wie überall in der Arktis von den vorherrschenden Bedingungen ab. Da Eisverhältnisse und Winde schnell wechseln und sich deshalb nicht gut vorhersagen lassen, ist das Programm für die Arktisreise nicht in Stein gemeißelt. Wer mitfährt, muss sich auf spontane Änderungen einstellen.
Über allen Anlandungen schwebt der Sicherheitsgedanke. Die Crew muss dafür Sorge tragen, dass die Reisenden mit Polarcircle-Booten an Land gebracht werden können, ohne ein unfreiwilliges Bad im Polarmeer zu nehmen. Auch an Land müssen die Gegebenheiten passen.
Größter Störfaktor ist ausgerechnet ein Tier, das alle am liebsten sehen würden: der Eisbär. Kein Reisender sollte ihn aus der Nähe kennenlernen. Trotz des knuddeligen Aussehens handelt es sich um ein wildes Raubtier, das in seinem Revier dem Menschen überlegen ist. Die Expeditionscrew an Bord stellt sicher, dass es nicht zu unerwarteten Begegnungen kommt. Jeder von ihnen trägt ein Gewehr bei sich – allerdings nur für den Fall der Fälle. Sollte tatsächlich ein Eisbär auftauchen, wäre der Landausflug sofort beendet oder würde gar nicht erst starten.
Ein weiterer beeindruckender Bewohner der Arktis ist das Walross. Die sanften Kolosse rotten sich in Kolonien zusammen. Eine gute Chance, eine solche zu sehen, besteht bei der kleinen Insel Moffen, die am 80. Breitengrad liegt und genau wie der Magdalenefjord ein Hafen für Walfänger war. Nah ran geht es jedoch auch bei den Walrössern nicht. Der bevorzugte Platz zum Beobachten der arktischen Tierwelt bleibt das Schiff.
Die Hauptattraktion der Reise ist somit die Natur. Hier beeindrucken vor allem die riesigen Gletscher. Mit viel Glück kann man sogar erleben, wie ein Gletscher kalbt. So wird der Vorgang genannt, wenn sich ein Teil der Eisfläche löst und donnernd ins Wasser kracht. Im Kongsfjord sowie im Hornsund, der im Nationalpark Süd-Spitzbergen liegt, wird man einige imposante Gletscher zu Gesicht bekommen. Teilweise haben sie eine Breite von bis zu zwölf Kilometern und sind durchzogen von majestätischen Furchen.
Die Gletscher stehen stellvertretend für die Zerbrechlichkeit der Arktis. An ihnen lassen sich die Auswirkungen der Klimaerwärmung besonders gut erkennen. Sie schrumpfen von Jahr zu Jahr – ein Prozess, der sich selbst durch die aktuellen Klimaziele nicht aufhalten lässt. Auf der letzten UN-Klimakonferenz, die im vergangenen Jahr in Paris stattfand, bekräftigten die Beteiligten erneut, die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad beschränken zu wollen. Selbst ein solcher Wert hätte für die Polarregionen der Erde dramatische Konsequenzen.
Forscher glauben, dass es keine 40 Jahre mehr dauern könnte, bis die Arktis komplett eisfrei ist. 2,5 Millionen Quadratkilometer Eisfläche sind seit den 1970er-Jahren bereits verschwunden. Das entspricht 40 bis 45 Prozent der gesamten Arktis, wie die Technische Universität Kopenhagen 2007 berechnete.
Welche globalen Auswirkungen eine eisfreie Arktis hätte, lässt sich nur schwer absehen. Eines ist aber sicher: Eisbären würden Menschen dann nur noch im Zoo bewundern können. Ein wenig Schwermut begleitet eine Reise in die Arktis. Vielleicht haben nur noch wenige Generationen die Gelegenheit, das arktische Eis selbst zu erleben.
„Hier draußen Auge in Auge der Natur gegenüberzustehen und seinen Scharfsinn an ihren Rätseln zu erproben, das gibt dem Leben einen ungeahnten Inhalt“, sagte der deutsche Polarforscher Alfred Wegener einst über die Arktis. Wer ihre fragile Schönheit mit eigenen Augen gesehen hat, wird die Leidenschaft für diesen besonderen Flecken Erde leicht nachvollziehen können.