Das Pentagon richtet eine neue Kommandoeinheit in Hessen ein – es geht um die langfristige Koordination von Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten.
Washington/Wiesbaden. Die USA richten an ihrem Militärstandort in Wiesbaden ein neues Zentrum für die Koordination der Ukraine-Militärhilfe ein. Bei der „Sicherheitsunterstützungsgruppe für die Ukraine“ geht es vor allem um die Koordination der Ausbildung ukrainischer Soldaten sowie der westlichen Waffenlieferungen. Die Einheit diene der langfristigen Unterstützung für Kiew und sei dem europäischen US-Kommando unterstellt, teilte die Vize-Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums Pentagon, Sabrina Singh, am Freitag in Washington mit. Die sogenannte „Security Assistance Group Ukraine“ (SAGU) werde einen ähnlichen Umfang „wie unsere derzeitige Präsenz“ haben, sagte sie. Aber die neue zentrale Einheit werde „sicherstellen, dass wir in der Lage sind, die Ukraine weiterhin langfristig zu unterstützen“. Weitere Details, etwa zur Personalstärke der neuen Gruppe, nannte sie nicht. In früheren Berichten war die Rede von rund 300 Personen, die in dem neuen Kommando eingesetzt werden sollen.
Hauptquartier des US-Heeres in Europa und Afrika sitzt in Wiesbaden
Über die Pläne für eine zentrale Einheit, die die westliche Militärhilfe für die Ukraine koordiniert, hatte die „New York Times“ (NYT) bereits Anfang Oktober berichtet. In der hessischen Landeshauptstadt, genauer im Stadtteil Erbenheim, sitzt das Hauptquartier des amerikanischen Heeres in Europa und Afrika. Ein Teil der Ausbildung ukrainischer Soldaten an US-Waffensystemen finde bereits jetzt dort oder in der Nähe statt. Gegenüber unserer Zeitung bestätigte ein Sprecher der US-Streitkräfte im Oktober die konkreten Pläne nicht, sagte aber: „In enger Abstimmung mit unseren Verbündeten und Partnern unternehmen wir weiterhin Schritte, um unsere Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte einheitlicher auszurichten, um den Ukrainern bei der Verteidigung ihres Heimatlandes gegen die unprovozierte Invasion Russlands zu helfen.“ Weder das Bundesverteidigungsministerium noch die hessische Landesregierung wollten damals auf Anfrage dieser Zeitung zu den US-Plänen in Wiesbaden Stellung nehmen und verwiesen auf die Zuständigkeit der US-Armee.
Die neue Militärzentrale für die Ukraine-Hilfe ist Teil einer Neustrukturierung des Ausbildungs- und Unterstützungssystems, das nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar geschaffen wurde. Das neue Kommando soll von einem hochrangigen US-General geleitet werden. Bislang wurde die Unterstützung für die Ukraine vor allem von einem General des 18. Luftlandekorps koordiniert. 300 Soldaten des Korps waren noch vor Kriegsbeginn nach Wiesbaden entsandt worden.
Wiesbaden ist Ort der US-geführten Ausbildung und Unterstützung
Das neue Kommando werde zugleich die Entscheidungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe ausführen, schrieb die „NYT“ im Oktober. Darin koordinieren rund 40 Staaten seit Kriegsbeginn ihre Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte. Zu der Gruppe gehört auch Deutschland. Wiesbaden ist demnach weiterhin Ort der US-geführten Ausbildung und Unterstützung, andere westliche Länder bilden ukrainische Soldaten an anderen Orten aus. So ist unter anderem bekannt, dass die Bundeswehr in Idar-Oberstein Ukrainer an der Panzerhaubitze 2000 ausbildet; in Grafenwöhr (Bayern) trainieren die US-Streitkräfte Ukrainer auf dem dortigen Truppenübungsplatz an westlichen Artillerie-Systemen. Aus früheren Verlautbarungen des Pentagons und US-Militärs ist bekannt, dass die Schulung ukrainischer Soldaten durch die USA bereits nach der russischen Annexion der Krim 2014 intensiviert wurde.
Vorgelegt wurden die Pläne für die neue Militärzentrale laut „NYT“-Bericht im Oktober von US-General Christopher G. Cavoli, das neue Kommando werde auch an ihn berichten. Cavoli ist seit Juli Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa mit Sitz in Stuttgart und zugleich der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa. In dieser Funktion ist er vor allem für die Planung und Ausführung der militärischen Maßnahmen zur Bündnisverteidigung und zur Abschreckung Russlands verantwortlich. Bis zu seinem Wechsel im Juli war Cavoli Oberbefehlshaber in Wiesbaden.
Ein Sprecher des US-Hauptquartiers in Stuttgart erklärte im Oktober gegenüber dieser Zeitung, bereits am 6. August sei das „International Donor Coordination Center“ - quasi ein multinationales Logistikteam, das die Hilfe für die Ukraine koordiniert - nach Wiesbaden verlegt worden. Der Grund dafür sei gewesen, „dauerhafte Operationen besser zu unterstützen, und enger mit unseren Verbündeten und Partnern zusammenzuarbeiten, um zusätzliche Möglichkeiten zur Unterstützung der Ukraine zu ermitteln“, sagte der Sprecher. In Wiesbaden erhöhe die gemeinsame Lage mit dem Hauptquartier der US-Armee in Europa und Afrika sowie dem 18. Luftlandekorps die Fähigkeit, ukrainische Operationen schnell zu unterstützen.
Weitere US-Waffenlieferungen für die Ukraine
Unterdessen stellen die USA der Ukraine weitere Militärhilfen im Wert von 400 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Das kündigte das Pentagon ebenfalls am Freitag an. Die militärische Unterstützung für Kiew aus den USA belaufe sich damit auf insgesamt 18,9 Milliarden Dollar seit Beginn der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden Anfang 2021. Zu dem neuen Paket gehörten unter anderem 45 generalüberholte T-72-Kampfpanzer sowjetischer Bauart, sagte Pentagon-Sprecherin Singh. Die Panzer kämen aus Tschechien.