Saudischer Kronprinz lässt Königstochter frei

Nur mit seiner Zustimmung konnten seine Cousine, Prinzessin Basmah, und ihre Tochter aus dem Gefängnis entlassen werden: Kronprinz Mohammed bin Salman. Archivfoto: dpa

Prinzessin Basmah wurde nach fast drei Jahren aus der Haft entlassen. Die 57-Jährige kritisierte Thronfolger Mohammed bin Salman.

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ISTANBUL. Selbst für hochrangige Mitglieder der saudischen Königsfamilie ist es gefährlich, die Politik von Kronprinz Mohammed bin Salman zu kritisieren. Prinzessin Basmah gehörte als Königstochter und Nichte des derzeitigen Regenten, König Salman, zur Elite Saudi-Arabiens, doch das nützte ihr nichts: Die heute 57-jährige wurde im Frühjahr 2019 zusammen mit ihrer Tochter inhaftiert. Nun kam die Prinzessin, die sich für Frauenrechte und demokratische Reformen in ihrem Land einsetzte, wieder frei.

Ohne Anklage zusammen mit Tochter festgehalten

Die Prinzessin, die mit vollem Namen Basmah Bint Saud bin Abdulaziz Al Saud heißt, wurde nie angeklagt. Die saudischen Behörden warfen ihr zunächst vor, sie habe das Land mit falschen Papieren verlassen wollen, ließen die Anschuldigung später aber fallen. Trotzdem blieben sie und ihre Tochter im Gefängnis al-Ha‘ir in der Nähe der Hauptstadt Riad inhaftiert; in al-Ha’ir sitzen viele politische Häftlinge. Jetzt teilte die Menschenrechtsorganisation ALQST mit, die Prinzessin und ihre Tochter Sohoud hätten das Gefängnis verlassen können. Ihr Anwalt bestätigte dies, doch die Regierung äußerte sich nicht.

Die Freilassung einer prominenten Regierungskritikerin wie Prinzessin Basmah kann nicht ohne Zustimmung von Kronprinz Mohammed bin Salman angeordnet werden. Der 36-Jährige will Saudi-Arabien mit wirtschaftlichen Reformen zukunftsfähig machen, lehnt demokratische Reformen aber ab. Nach Überzeugung westlicher Geheimdienste ließ der Prinz den Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi im Jahr 2018 ermorden. Bereits mehrmals hat er Frauenrechtlerinnen inhaftieren lassen.

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Bei vielen jungen Saudis ist der Kronprinz, genannt MBS, trotz seines drakonischen Vorgehens gegen Kritiker beliebt, weil er seine wirtschaftlichen Reformen mit einer Lockerung gesellschaftlicher Regeln in dem islamisch-konservativen Land verbindet. So hat er die Öffnung von Kinos erlaubt und die Befugnisse der Religionspolizei beschnitten. Es gibt Konzerte und Festivals, und Frauen haben unter MBS das Recht aufs Autofahren erhalten.

In der saudischen Königsfamilie ist MBS jedoch umstritten. Rivalitäten im Königsclan mit seinen rund 10 000 Mitgliedern haben sich seit seiner Ernennung zum Kronprinzen und damit zum De-Facto-Herrscher vor fünf Jahren verschärft. Es gebe „viel Verbitterung“ über die Politik des Thronfolgers, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters im Jahr 2019 Quellen aus der Umgebung des Hofes in Riad. Kritiker aus der Königsfamilie warfen dem Prinzen demnach unter anderem vor, unerfahrene Gefolgsleute auf wichtige Posten gehievt und damit dem Land geschadet zu haben.

MBS genießt offenbar das uneingeschränkte Vertrauen von König Salman, der ihn auch gewähren lässt, wenn er gegen Mitglieder des Königshauses vorgeht. Im November 2017 setzte MBS rund 400 Menschen, darunter andere Prinzen und reiche Geschäftsleute, in einem Luxushotel in Riad fest. Sein Vorgänger als Kronprinz, der frühere Innenminister Mohammed bin Nayef, sitzt seit 2020 im Gefängnis. Nayef war ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen islamistische Extremisten. Doch sein ausgezeichneter Ruf in Europa und den USA konnte ihn nach seiner Niederlage im Machtkampf gegen MBS nicht schützen.

Freundschaft mit westlich orientiertem Nayef als Grund

Prinzessin Basmah ist mit Mohammed bin Nayef befreundet, was nach Einschätzung ihrer Familie neben ihrem Engagement für mehr Freiheit in Saudi-Arabien ein Grund für ihre Inhaftierung gewesen sein könnte. Die Prinzessin ist eine Tochter des früheren Königs Saud und eine Enkelin von Staatsgründer König Abdulaziz; der heutige König Salman ist ihr Onkel. Der Gesundheitszustand der Prinzessin habe sich in der Haft verschlechtert, sagen ihre Unterstützer. Die Organisation ALQST nannte ihren Zustand „potenziell lebensbedrohlich“. Ob ihre Haftentlassung aus humanitären Gründen erfolgte, ist nicht bekannt. Offenbar darf sie trotz ihrer Freilassung das Land nicht verlassen.