In Rheinland-Pfalz ist die finanzielle Ausstattung der Kommunen schlecht – trotz der Steuereinnahmen durch Biontech. Eine Studie belegt die Kritik des Städte- und Gemeindebunds.
Mainz. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen in Rheinland-Pfalz hat zuletzt für Schlagzeilen gesorgt: In Ludwigshafen ist die Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck aus der SPD ausgetreten, in Freisbach (Kreis Germersheim) der komplette Gemeinderat und der Bürgermeister zurückgetreten. In beiden Fällen haben die Lokalpolitiker ihren Entschluss unter anderem mit Verweis auf die Finanzen der Kommunen begründet. Nun zeigt auch der Finanzreport 2022 der Bertelsmann-Stiftung: Die Lage ist nicht rosig.
Die Kommunen seien demnach finanziell schlecht für Zukunftsthemen wie Energiewende und Nachhaltigkeit gerüstet. Städte, Kreise und Gemeinden im Land erwirtschafteten 2022 zwar insgesamt einen Überschuss von fast einer Milliarde Euro, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. In Rheinland-Pfalz haben die Kommunen 2022 ein Finanzsaldo von 230 Euro je Einwohner erreicht – so viel wie sonst nirgends. In Hessen etwa waren es 24 Euro pro Kopf.
Die Schwalbe im Jahr 2022 macht leider keinen Sommer 2023 – das gilt auch für die Finanzen.
Dieser gute Wert in Rheinland-Pfalz sei aber fast ausschließlich auf den Erfolg und die hohen Gewerbesteuern des Corona-Impfstoffherstellers Biontech zurückzuführen. Der Städte- und Gemeindebund kann sich über das Geld von Biontech nicht richtig freuen. „Die Schwalbe im Jahr 2022 macht leider keinen Sommer 2023 – das gilt auch für die Finanzen“, sagt Karl-Heinz Frieden, geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Ohne den Biontech-Effekt seien die hiesigen Kommunen im Ländervergleich finanzschwach, meinen auch die Autoren des Finanzreports. Die Investitionen lägen seit vielen Jahren weit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Kassenkredite seien – bezogen auf die Einwohnerzahl – nirgends höher. Für die kommenden Jahre trübe sich der Ausblick weiter ein, da das finanzielle Fundament der Städte, Kreise und Gemeinden schwach sei.
Viele Kommunen haben keine finanziellen Handlungsspielräume mehr
Ob die Sondersituation mit Biontech in Mainz anhalten wird, sei höchst fraglich, erklärt René Geißler, Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau und Mitautor der Studie. Viele Kommunen hätten weiterhin mit Defiziten zu kämpfen und seien steuerschwach. Es fehlten finanzielle Handlungsspielräume. Mit den Kreisen Trier-Saarburg und Kusel lägen zwei der schwächsten deutschen Regionen überhaupt in Rheinland-Pfalz. „Das Aufkommen der Gemeindesteuern resultiert fast vollständig aus der Wirtschaftsstruktur. Ein Aufholen der schwachen Kommunen ist kaum möglich“, sagt Geißler. Für 2023 haben allerdings 20 der 50 größten Städte die Hebesätze für die Gewerbesteuer angehoben, was der Bund der Steuerzahler jüngst kritisiert hat.
Kritik an der Landesregierung
Zwar seien die Kassenkredite der Kommunen gesunken. Aber von den zehn bundesweit am höchsten belasteten Kommunen lägen sechs in Rheinland-Pfalz. Einen Ausweg würden sie nicht finden, meint der Professor. „Das Land hat die wirtschaftlich guten Jahre und Nullzinsen verstreichen lassen.“
Kritik äußert auch der Städte- und Gemeindebund: 55 Prozent der Kommunen haben ihm zufolge für 2023 keinen ausgeglichenen Haushalt. Geld für Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und Klimawandel sei nicht vorhanden. „Wir drohen, auf einen Stillstand vor Ort zuzusteuern“, sagt Frieden und fordert von der Landesregierung unverzüglich Verbesserungen beim kommunalen Finanzausgleich.