Ahr-Flutopfer warten bislang vergeblich auf Hilfe
Im November 2021 haben die Mauels ihren Antrag auf Wiederaufbauhilfe nach Mainz geschickt. Bis heute haben sie keinen Cent erhalten - und sind sauer auf die Landesregierung.
ALTENBURG. Heinz und Marianne Mauel haben alles verloren. Die Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 hat sie hart getroffen. Bis zur Decke des ersten Obergeschosses war ihr Haus in der Straße Am Weiher im Altenahrer Ortsteil Altenburg mit Wasser und Schlamm bedeckt. Auf dem Speicher harrte das Paar drei Tage aus, bis es von Rettungskräften aus dieser lebensgefährlichen Lage befreit wurde. Stunden voller Angst und Ungewissheit.
Versicherung gegen Elementarschäden fehlt
In den folgenden Wochen und Monaten arbeiteten die 78-Jährige und der 85-Jährige von morgens bis abends, um das Haus mit dem schönen Garten wieder bewohnbar zu machen. Damit die Kosten für Handwerker und Material beglichen werden konnten, musste ihnen die Familie aushelfen, denn sie sind nicht gegen Elementarschäden versichert. "Ohne unsere Tochter und die Enkel hätten wir das nicht geschafft", sagt Marianne Mauel. So dankbar sie dafür ist, so erzürnt ist sie über die Politik, von der sie sich im Stich gelassen fühlt.
Lesen Sie passend zum Thema: Bürokratische Klippen hemmen schnelle Hilfe für das Ahrtal
Die Landesregierung hat den Hauseigentümern im Ahrtal schnelle, unbürokratische Hilfe bei Sanierung und Wiederaufbau ihrer Häuser versprochen. Dazu hat Rheinland-Pfalz 15 Milliarden aus dem nationalen Aufbaufonds des Bundes erhalten. Doch wie viele andere Betroffene auch, haben die Mauels bis heute keinen einzigen Cent erhalten. Dabei liegt ihr Antrag auf Wiederaufbauhilfe seit November 2021 bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) in Mainz. Die Förderbank des Landes übernimmt die Abwicklung der Zahlungen an die Flutopfer.
Vollständigen Antrag am 12. November abgeschickt
Heinz und Marianne Mauel haben den Antrag mithilfe eines Steuerberaters am 12. November 2021 ausgefüllt und an die ISB abgeschickt. Von dort wurde ihnen bestätigt, dass der Antrag eingegangen sei und alle erforderlichen Unterlagen enthalten seien. Seit Beginn des Jahres steht ihnen Petra Schumann zur Seite. Im Altenahrer Hochwasser-Infopoint berät sie zusammen mit Architekten betroffene Hauseigentümer. Dass die Mauels noch keine Überweisung auf dem Konto haben, ist auch für sie nicht nachvollziehbar.
"Wir beklagen uns über nichts, außer dass wir unser Geld noch nicht bekommen haben. Wenigstens einen Abschlag könnte man zahlen. Das sind doch unsere Steuergroschen", sagt Marianne Mauel. Es geht für das Paar, das von rund 1000 Euro Rente leben muss, um viel Geld. Auf 210.000 Euro hat ein Gutachter den Schaden geschätzt. Bei einer Förderquote von 80 Prozent stehen den Mauels also 165.000 Euro zu. "Bis heute haben wir nichts bekommen. Das ist ein Trauerspiel", grollt Heinz Mauel.
Damals beim Bau und heute viel in Eigenleistung
Der gelernte Maurer und spätere Fliesenleger hat das schmucke Häuschen 1964 selbst gebaut und dabei viel Wert auf gutes Material und eine solide Bauweise gelegt. Faktoren, die sich in der Katastrophe positiv ausgewirkt haben. Dadurch, dass er einen gipsfreien Zementputz auf die Wände aufgebracht hat, musste der Putz nach dem Flutschaden nicht abgeschlagen werden, wie das in so vielen anderen Häusern der Fall war. Dadurch ersparte der Baufachmann letztlich auch dem Land Wiederaufbaukosten. Und der rüstige Rentner packte trotz seines hohen Alters auch noch selbst kräftig an. Eine weitere Kostenersparnis. Acht Monate lang haben Heinz und Marianne Mauel von morgens bis abends geschuftet. Oft bis zur völligen Erschöpfung. Nicht genug damit, sind sie in dieser Zeit auch noch dreimal umgezogen. "An manchen Tagen konnten wir nicht mehr", erinnert sich die 78-Jährige. Vor dieser Phase habe man Nächte lang nicht geschlafen und gegrübelt, ob man sich die Sanierung überhaupt zumuten könne und wolle. "Aber wo sollten wir denn in unserem Alter noch hin?", bringt sie die getroffene Entscheidung auf den Punkt.
Alle Entwicklungen im Untersuchungsausschuss zur Ahr-Flut finden Sie in unserem Dossier.
Dass das Paar die Strapazen überstehen konnte und das Ziel, wieder in ihr Haus einziehen zu können, erreicht hat, liegt auch daran, dass es nach der dramatischen Flutnacht auf Menschen traf, die geholfen haben. Allen voran Matthias aus Dülmen. Die Mauels nennen ihn liebevoll "unseren Mentor". Der Versicherungskaufmann aus dem Kreis Coesfeld gehörte zu dem vielköpfigen Tross freiwilliger Helfer, die im von der Flut stark zerstörten Altenburg bei der Beseitigung der Flutschäden im Einsatz waren. Seine Frau, eine Theologin, fragte Marianne Mauel, ob sie irgendwie helfen könne. Beim Bepflanzen des Gartens ist so eine Verbindung entstanden, die für die Mauels viele Barrieren aus dem Weg geräumt hat. "Mentor" Matthias ist bestens vernetzt und besorgte den Mauels die nötigen Handwerker, die aus seiner westfälischen Heimat den Weg an die Ahr antraten, denn die hier vorhandenen Betriebe hatten alle Hände voll zu tun. "Er hat uns supertolle Leute gebracht, die top gearbeitet haben", verdeutlicht Marianne Mauel. Wie der Dülmener sich für sie eingesetzt hat, erfüllt sie mit tiefer Dankbarkeit. "Leute wie er müssten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden."
"Alles, was wir auf dem Leib tragen, ist aus dem Fundus"
Seit drei Wochen leben die beiden rüstigen Rentner wieder in ihrem sanierten Haus. Die Möbel sind alle gespendet oder geschenkt. Inklusive des massiven Wohnzimmerschranks aus Dülmen. Zwar haben die Mauels für den zerstörten Hausrat 20.000 Euro bekommen, aber diese Summe ist fast komplett in eine neue Heizung geflossen. "Alles, was wir auf dem Leib tragen, ist auch aus dem Spendenfundus", sagt sie. An den Kauf neuer Sachen war nicht zu denken, denn ein guter Teil der schmalen Rente ist für die Miete der Wohnung in Hönningen draufgegangen.
"Wir müssen zufrieden sein", sagt Marianne Mauel. Ein erstaunlicher Satz für jemanden, der bis auf das Haus alles verloren hat und seit Monaten auf die versprochene Zahlung des Landes wartet. Der Blick auf die andere Straßenseite lässt erahnen, wie dieser Satz gemeint ist. Denn dort steht ein von der Flut ebenfalls stark zerstörtes Haus. Seit Monaten passiert dort nichts. Der Eigentümer ist im Clinch mit der Versicherung. Ein anderes unerfreuliches Thema zum Wiederaufbau an der Ahr.
Von Thomas Ehlke