Wie das hessische Förderprogramm Schüler unterstützen soll

aus Bildung

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Schüler melden sich im Unterricht.  Foto: dpa
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Die Landesregierung zieht ein positives Zwischenfazit zum Projekt „Löwenstark“. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen schafft es jedoch kaum Abhilfe.

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WIESBADEN. Unterrichtsausfall und fehlende soziale Kontakte: Unter dem Motto „Löwenstark – der Bildungskick“ sollen die Schüler in Hessen nach den tiefgreifenden Folgen der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen bestmöglich unterstützt werden – nicht nur in der Aufarbeitung von Lernrückständen, sondern auch in der Förderung sozialer Kompetenzen.

Dafür stehen rund 150 Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln zur Verfügung. Das Geld fließt zum einen in zentrale Angebote, welche die Schulen kostenfrei vom hessischen Kultusministerium bekommen. Der andere Teil wird zur Aufstockung des Schulbudgets verwendet.

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Ein Zwischenfazit im Juni 2022 zeigt: In diesem Schuljahr wurden bereits 120 Millionen Euro dafür ausgegeben beziehungsweise von den Schulen verplant. „Weil der Weg aus der Corona-Pandemie kein Spurt, sondern eher ein Marathon ist, haben wir unser Förderprogramm von Anfang an für mindestens zwei Schuljahre geplant“, so Kultusminister Alexander Lorz (CDU). Daher folgt bald die nächste Zuteilung an Fördermitteln.

Schulen setzen unterschiedliche Maßnahmen um

Die Schulen entscheiden dabei selbst, welche Unterstützungsmaßnahmen sie anbieten und welche Kooperationen mit außerschulischen Partnern umgesetzt werden. „Ob Nachhilfe in Mathe oder Leseförderung, Schwimmunterricht oder ein Bewegungsangebot auf dem Schulhof – so vielfältig die Bedürfnisse unserer Schüler sind, so breit gefächert soll auch unser Unterstützungsangebot sein“, betonte Lorz.

Berichte aus den Lokalredaktionen dieser Zeitung zeigen die unterschiedlichen Umsetzungen der Schulen: An der Pestalozzischule in Idstein wurden beispielsweise zusätzliche Nachholstunden für alle Klassen eingerichtet. Das Wiesbadener Galli-Theater hat mit einem Theaterstück den Schülern der Obermayr-Europaschule in Neuhof das Thema Medienkonsum nahegebracht. An der Martin-Buber-Schule in Groß-Gerau gab es mehrtägige Schülerprojekte, die über anschauliches Lernen Wissensgewinn mit Gemeinschaftlichkeit verbunden haben.

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"Zu klein dimensioniert": GEW äußert Kritik

Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen (GEW) gehe das Aufholprogramm der Landesregierung zwar in die richtige Richtung, was nicht zuletzt die große Zahl der teilnehmenden Schulen zeige, es schaffe aber kaum Abhilfe. „Nach anfänglich größeren Schwierigkeiten, besonders hinsichtlich der bürokratischen Vorgaben, haben viele Schulen im Rahmen von ‚Löwenstark‘ Projekte finanzieren können, auf die sie zurecht stolz sind“, erklärt der GEW-Vorsitzende Thilo Hartmann auf Anfrage dieser Zeitung. Er kritisiert aber, dass bei Weitem nicht alle Schüler in ausreichendem Maße davon profitieren können: „Schätzungen gehen davon aus, dass bei bis zu einem Drittel größere Lernlücken entstanden sind.“ Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, deren psychische Gesundheit gelitten hat, dürfte laut Hartmann ähnlich groß sein. Gemessen an diesem Ausmaß sei „Löwenstark“ viel zu klein dimensioniert.

Das Kultusministerium dagegen berichtet von durchweg positiven Rückmeldungen der Schulen. So haben laut eigener Umfrage alle Schulen bestätigt, dass das Landesprogramm maßgeblich bei der Kompensation pandemiebedingter Lernrückstände wirkt. Kultusminister Lorz ergänzt: „Besonders erfreulich ist zudem, dass fast 80 Prozent der Schulen durch die vielfältigen Unterstützungsangebote eine hohe Motivation der Schüler sehen.“ Die mit „Löwenstark“ gesammelten Erfahrungen zeigen aber auch, dass vieles zwar bereits gefördert wurde, andererseits noch viel zu tun sei.

Weitere Zuspitzung durch steigende Schülerzahlen?

Laut GEW-Vorsitzendem Hartmann ist der Personalmangel nicht zu unterschätzen: „Viele Schulen melden zurück, dass es vor allem an ausgebildeten Lehrern fehlt, die zusätzliche Bildungsangebote durchführen können. Am Ende steht an der einzelnen Schule häufig ein gutes Zusatzangebot im Rahmen von ‚Löwenstark‘ neben massiven Unterrichtsausfällen im regulären Unterricht.“ So bleibe die Mammutaufgabe, nämlich die Folgen der Pandemie für die Schüler zu bewältigen, größtenteils an der Schule und den einzelnen Lehrern hängen.

Und diese Situation spitzt sich weiter zu: Steigende Schülerzahlen und neue Herausforderungen wie die Beschulung der inzwischen über 12.000 ukrainischen Kinder und Jugendlichen in Hessen verstärke das Problem, eine Entspannung sei nicht in Sicht.