
Mit Blick auf die Landtagswahl in Hessen kritisiert der EKHN-Präsident die Diskussion um die Flüchtlingspolitik. Diese sei „manchmal kaum auszuhalten“.
Frankfurt. Vor einem „möglichen Rechtsruck in der Gesellschaft“ warnt Volker Jung, Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Alarmiert sei er durch die aktuellen Umfrageergebnisse, die die AfD bei 20 Prozent sehen. Er verfolge auch die sich verändernde Tonlage in der Migrationspolitik „mit Sorge“, verdeutlichte der Theologe beim traditionellen „Sommergespräch“ vor Journalisten im Dominikanerkloster in Frankfurt.
Es sei manchmal „kaum auszuhalten“, wie über Flüchtlinge gesprochen werde, sagte Jung auch mit Blick auf die anstehende Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober. Insbesondere die Diskussion über das individuelle Grundrecht auf Asyl ist für den Kirchenpräsidenten ein Hauptkritikpunkt. „Hier steht nicht die Würde der Betroffenen im Mittelpunkt, sondern deren politische Instrumentalisierung.“
Hier steht nicht die Würde der Betroffenen im Mittelpunkt, sondern deren politische Instrumentalisierung.
Die neue Asyldebatte angestoßen hat der CDU-Politiker Thorsten Frei. Er plädiert dafür, das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl beantragen zu können, grundsätzlich abzuschaffen. Der Grund: Gerade den Schwächsten helfe dieses Asylrecht nicht. Stattdessen solle es künftig Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa geben.
Auch die Radikalisierung der AfD nehme die Kirche sehr genau wahr, betonte Jung. Mitgliedern dieser Partei prinzipiell den Zugang zu kirchlichen Laienämtern zu verwehren, wie es die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, kürzlich gefordert hat, hält Jung allerdings für schwierig und nicht mit den Kirchengesetzen vereinbar. Ein Ausschluss etwa aus dem Kirchenvorstand nur aufgrund einer bestimmten Parteizugehörigkeit sei in den Statuten nicht vorgesehen.
Klare Kante gegen Rechts
Auch die Kirchenmitgliedschaft ist grundsätzlich nicht an ein bestimmtes Parteibuch geknüpft. Maßgeblich für mögliche Sanktionen seien alleine wiederholte Äußerungen in der Öffentlichkeit oder vermehrte Vertrauensbrüche in der Zusammenarbeit, die der Grundausrichtung der EKHN widersprechen. Deshalb will Kirchenpräsident Jung sehr genau hinschauen „und etwa bei rassistischen oder menschenverachtenden Äußerungen klar sagen: Das akzeptieren wir nicht.“
Grundlage der Kirche im Umgang mit rechtspopulistischen Menschen ist eine 2019, nach dem Erstarken der AfD, verfasste Orientierungshilfe für Kirchenvorstände. In dem siebenseitigen Papier tritt die hessen-nassauische Kirche aufgrund biblischer Grundüberzeugungen und eigener Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus klar für eine offene Gesellschaft ein, die sich an „Vielfalt, Verschiedenheit und Toleranz orientiert“.
Dazu gehöre auch, „die Meinungsfreiheit aller Menschen und die Würde jeder Person“ zu achten. Deshalb ist es aus Sicht der EKHN auch geboten und nötig, klar und eindeutig „Position gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und die Ausgrenzung Andersdenkender“ zu beziehen.
Respekt auch vor Menschen mit extremen Meinungen
Gleichzeitig sieht das Positionspapier die evangelische Kirche aber auch in der Pflicht, eine sogenannte „doppelte Grundhaltung“ einzunehmen. So müssten einerseits populistische Aussagen problematisiert und die eigene Position deutlich benannt werden. Darüber hinaus sei aber „jeder Person Respekt und Achtung entgegenzubringen“, selbst wenn sie anderslautende extreme Meinungen vertritt.