Ukrainische Flüchtlinge: „Herausfinden, wer bleiben will”

aus Krieg in der Ukraine

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Viele Flüchtlinge aus der Ukraine suchen eine Wohnung.

Christa Hack aus Mainz gehört zu den vielen Menschen im Land, die Flüchtlinge aufgenommen haben – ein Interview über Hilfen und Hürden, neue Chancen und enttäuschte Erwartungen.

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Frau Hack, am Anfang dachten viele Menschen, der Krieg sei bald vorbei. Was dachten die Flüchtlinge, die zu Ihnen kamen?

Sie waren einfach nur froh, in Sicherheit zu sein. Sie dachten natürlich, sie bleiben nur eine Weile und gehen dann zurück.  

Und dann?

Mit den Monaten schwand die Hoffnung auf Rückkehr. Ein kleiner Teil hat gesagt: „Wir bleiben hier. Wer weiß, ob wir zurückkönnen.“ Das sind diejenigen, die sehr schnell und gut Deutsch gelernt haben und die sich auch beruflich sofort orientiert haben. Und dann gab es eine Gruppe, die von Anfang an dachte: „Wir wollen zurück, wir bleiben nur solange, wie wir müssen.“ Die haben sich sehr schwer damit getan, überhaupt den Gedanken zuzulassen, dass es sinnvoll ist, Deutsch zu lernen. Was mir aufgefallen ist: Die Kinder haben schnell Deutsch gelernt, wollten es aber zumindest anfangs nicht sprechen.

Warum nicht? 

Meine Erklärung ist eine psychologische. Deutsch zu lernen und zu sprechen bedeutet: „Ich bin vielleicht doch bereit, hier Wurzeln zu schlagen.“ Das wird aber als Verrat empfunden an den Menschen, die zuhause geblieben sind. Die Kinder mussten ihre Freunde und Mitschüler verlassen, ihre Sportgruppen. Und natürlich haben sie Sehnsucht nach ihren Vätern und großen Brüdern. Ich habe den Eindruck, dass dieses „Ich spreche nicht Deutsch“ heißt: Ich bin nicht wirklich hier. Ich bin eigentlich woanders, ich muss nur momentan hier sein.

Wie kam es dazu, dass Sie Flüchtlinge betreuen? 

Ich fühle mich nicht als Betreuerin, sondern als Gastgeberin, ich mache ein kollegiales Angebot. Es gibt seit vielen Jahren eine deutsch-osteuropäische Arbeitsgemeinschaft in unserem Berufsverband, dazu gehörte zum Beispiel ein Austausch-Projekt der psychoanalytischen Gesellschaft in Mainz mit der in Charkiw. Ich war viele Male selbst in der Ukraine und leitete per Skype eine Supervisionsgruppe, bis heute. 

Zu Freunden in der Ukraine: „Wenn ihr kommen wollt, kommt”

Dann brach der Krieg aus. 

Ich habe in all den Jahren viele Kollegen kennengelernt und auch Freundschaften geschlossen. Denen habe ich angeboten: Wenn ihr kommen wollt, kommt. So fing es an, dann kamen viele Anfragen. Ich habe bundesweit Kollegen gefragt, ob sie Raum zur Verfügung stellen können, von einem Zimmer bis zu Einlieger-, Ferien -oder Zweitwohnungen. Viele Kollegen in der Ukraine wollten ihre Familien in Sicherheit wissen. Die Männer durften ja nur raus, wenn sie im Rentenalter sind.

Wer hat Ihnen als Helferin geholfen?

Ich war Ansprechpartnerin für alles mögliche, das hätte ich ohne den Rückhalt der Arbeitsgruppe, die Spenden vieler Kolleginnen und Kollegen und die Hilfe meines Mannes nicht geschafft. Wir selbst haben vier Personen aufgenommen. Bundesweit konnte ich über 60 Menschen in eine gute Unterbringung vermitteln, knapp 20 davon hier in der Nähe.

Was waren die größten Hürden?

Am Anfang die vielen Pflichtgänge zu den Ämtern und die Klärung der Gesundheitsversorgung. Das war für die Geflüchteten ohne Hilfe meist nicht zu schaffen. Generell ein Problem war, erstmal herauszufinden, wer wofür zuständig war, welche öffentlichen Hilfen es überhaupt gibt. Und bis die dann auch tatsächlich organisiert wurden.

Das Dauerproblem deutsche Bürokratie. 

Natürlich waren die Ämter überfordert. Da ist niemand schuld, es war eine Welle, die alle überschwappt hat. Manchmal liegt es aber an einzelnen Leuten, an die man auf den Ämtern gerät, ob und wie mit Spielräumen bei der Sachbearbeitung umgegangen wird. Mit Englisch kommt man bei vielen Stellen nicht weiter. Aber die wenigsten Ukrainer sprechen nunmal Deutsch. Schwierig ist es auch mit Wohnungen.

Inwiefern?

Nach zwei, drei Monaten bei den privaten Gastgebern sollten sich die Geflüchteten allmählich auf eigene Füße stellen und Wohnungen suchen. Das ist besonders schwierig, weil es nicht genug Wohnungen gibt und der Preis bedingt, ob die Miete unterstützt wird. Gastgeber haben nach einiger Zeit den Gaststatus in einen Mietstatus umgewandelt, das heißt es wurden Mieten berechnet oder Nebenkostenbeteiligung erwartet. Völlig verständlich, aber sowas kann auch ungute Gefühle erzeugen, selbst wenn es rational gut akzeptiert wird. Es sind auch Menschen zurückgegangen, die enttäuscht waren.

Warum?

Weil bestimmte Vorstellungen, auch Illusionen, die man von Deutschland hatte, nicht erfüllt wurden. Viele Ukrainer leben in Turnhallen, Pritsche an Pritsche, über viele Wochen. Oder in Flüchtlingsheimen, mit vielen Menschen auf engem Raum. Es wurden auch Familien in ein Zimmer gestopft, die sich gar nicht so grün sind. Es ist eben eine Durchschnittsbevölkerung gekommen: Darunter sind total nette und clevere Leute. Aber auch anspruchsvolle, die gefragt haben, warum sie hier nicht gleich „in einem eigenen Haus“ leben. Es gab aber auch Enttäuschungen auf deutscher Seite, neben den vielen guten und bereichernden Erfahrungen. 

Welche?

Man muss bedenken, dass unterschiedliche Lebensgewohnheiten und Lebenseinstellungen aufeinander treffen. Es braucht gegenseitiges Bemühen zu einem gelingenden Miteinander. Bleiben Dank und Bemühungen aus oder wachsen sogar die Ansprüche derer, für die man doch soviel tut, dann resultieren daraus leicht Enttäuschungen. Es ist oft hilfreich, sich bewusst zu machen, dass Geben leichter ist als Nehmen - und die Verletzung durch Hilfsbedürftigkeit nicht zu unterschätzen ist. 

Was heißt dies alles für die Integration der Menschen?

Es gab hierzulande eine völlig falsche Vorstellung, die auch von öffentlicher Seite gefördert wurde. Die lautete: Wir kriegen ganz toll ausgebildete Leute und können damit ganz schnell tolle Stellen besetzen. Das stimmt aber nur zu einem geringen Teil. 

Nämlich?

Das stimmt in den Fällen, in denen Menschen in der Ukraine für deutsche oder amerikanische Firmen gearbeitet haben. Die konnten hierherkommen und sofort einsteigen. Die anderen können meist kein Deutsch, ihre Ausbildung wird vielleicht nicht gleich anerkannt. Ein weiterer, wichtiger Punkt: Viele Flüchtlinge haben in der ersten Zeit gar nicht gemerkt, wie traumatisiert sie sind. Ich sehe manche dauerhaft traurige Gesichter, die können vielleicht drei, vier Stunden arbeiten, aber sie können nicht normal in den Beruf einsteigen. Außerdem sind ja auch viele alte und kranke Menschen gekommen. 

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CDU-Chef Friedrich Merz hat im Zusammenhang mit den ukrainischen Flüchtlingen von „Sozialtourismus“ gesprochen. Was sagen Sie dazu?

Ich sehe das zweischneidig. Er hätte sich differenzierter ausdrücken sollen, diese ganze Spalterei ist ein Dilemma. Natürlich wird auch versucht, unser System zu nutzen und zu holen, was man kriegen kann. Aber „Sozialtourismus“ war ein viel zu hartes Wort. 

Warum?

Es ist verständlich, wenn Kranke hier eine Behandlung suchen, die sie in der Heimat nicht mehr bekommen und bezahlen können. Ebenso, dass Geflüchtete angesichts stetiger schlechter Nachrichten aus der Heimat es nicht aushalten ohne den Kontakt zu zurückgebliebenen Eltern oder dem Ehepartner. Das ist noch kein „Sozialtourismus“. Am Anfang gab es sehr viele Hilfen, dadurch wurden sicherlich auch Erwartungen und Begehrlichkeiten geweckt. Inzwischen setzt das Jobcenter aber nach und schaut genauer hin. Es wird nicht nur gegeben, sondern auch erwartet.

Was sagen Flüchtlinge aus anderen Ländern zur Hilfe für die Ukrainer?

Ukrainische Flüchtlinge haben einen Sonderstatus, sie können gleich anfangen zu arbeiten, bekommen einen Kita- und Schulplatz. Sie betreuen auch Flüchtlinge aus anderen Ländern - was sagen die dazu?

Die sind natürlich neidisch. Viele sagen: Warum kriegen wir das nicht, warum sind wir weniger wert? Die Unterstützung für die Ukrainer ist verständlich, aber nicht zu rechtfertigen vor den anderen Geflüchteten, die hier lange darauf warten. Darunter sind ebenfalls Menschen, die sehr integrationswillig sind.

Ein Jahr Hilfe für Ukrainer - wie fällt Ihre Bilanz aus?

Einerseits gut, was die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft angeht. Die ist nach wie vor groß, etwa bei Spendensammlungen. Es gibt aber noch sehr viel zu tun in Sachen Integration. Der Wille dazu ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Diejenigen, die hier bleiben wollen, brauchen eine gute Unterstützung. Am besten läuft es da, wo es ganz persönliche Begleitung gibt. Die Ämter bemühen sich, aber es herrscht viel zu viel Papierkrieg. 

Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, was zu tun ist?

Zu differenzieren. Herauszufinden, wer hier wirklich bleiben will. Diejenigen zu fördern, und zwar etwas weniger bürokratisch. Und bei den anderen zu akzeptieren, dass sie zurückwollen. Aber für die gibt es meines Wissens kein angemessenes Konzept, um limitierte notwendige Hilfen zu geben, anstatt sie mit Integrationskursen zu quälen.