Am Sonntag sollen die meisten Beschränkungen fallen. Doch nun wachsen Zweifel am eingeschlagenen Weg. Die Ministerpräsidenten wollen sich am Donnerstag beraten.
BERLIN. Wenige Tage vor dem Auslaufen der meisten Corona-Beschränkungen gibt es weiter Kritik an der Pandemie-Politik der Bundesregierung. "Die Position des Bundesgesundheitsministers ist zutiefst widersprüchlich", sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). "Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, wie es vom Bundeskabinett eingebracht wurde, macht es alle Arbeit der letzten zwei Jahre obsolet", sagte Brysch über die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes.
Beratungen im Bundestag am Mittwoch
Am Mittwoch sollen erstmals im Bundestag Änderungen am Infektionsschutzgesetz beraten werden; die meisten bundesweiten Corona-Auflagen sollen zum 20. März entfallen. Bereits zwei Tage später soll im Plenum über den umstrittenen Entwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) entschieden werden. Lauterbach und Buschmann schlagen einen deutlich verringerten Basisschutz für ganz Deutschland vor. Bundesweit möglich sein sollen demnach nur noch Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken und Nahverkehr - und Testpflichten in Heimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll auch die Maskenpflicht in Zug und Flugzeug. Die Länder sollen aber weitere Corona-Auflagen für jeweils auszurufende Hotspots beschließen können. Angesichts der rasanten Ausbreitung des Virus in den vergangenen Tagen wird an diesem Kurs jedoch von vielen gezweifelt.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen will sich nun für eine Änderung des Regierungsentwurfs einsetzen. "Ich werbe sehr dafür, den Gesetzentwurf zur Reform des Infektionsschutzgesetzes noch einmal anzupassen und die Maskenpflicht in Innenräumen als Basisschutzmaßnahme beizubehalten", sagte Dahmen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Brysch sprach sich ebenfalls für eine Nachbesserung bei der Maskenpflicht aus, aber auch für einen Rechtsanspruch auf regelmäßige Corona-Tests für Pflegebedürftige außerhalb stationärer Einrichtungen und deren Angehörige.
Die FDP verteidigte hingegen das Vorgehen. Der Wegfall der meisten Corona-Beschränkungen am 20. März sei ein großer Erfolg nach zwei Jahren Pandemie, sagte der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Rheinischen Post" (Montag). Gleichzeitig blieben die Länder handlungsfähig, sollte sich die Corona-Lage wieder drastisch verschärfen. "Diese Kombination aus verantwortungsvollem Handeln und dem Ende der Freiheitseinschränkungen ist genau richtig", betonte er.
Beratungen mit Kanzler Scholz am Donnerstag
In einer Ministerpräsidentenkonferenz wollen die Länder mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag die Lage beraten. Ebenfalls an dem Tag wird im Bundestag erstmals über Anträge zu einer allgemeinen Impfpflicht diskutiert. Die sogenannte einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht startet bereits in dieser Woche. Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken müssen bis Dienstag Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen - oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Weiter soll künftig ein geringerer Corona-Arbeitsschutz gelten. Dazu will das Kabinett am Mittwoch eine Verordnung des Sozialministeriums beschließen. Künftig sollen die Arbeitgeber weitgehend selbst bestimmen können, wie sie das Risiko einschätzen und welche Auflagen im Betrieb noch gelten sollen.
Präsident der Bundesärztekammer: Lockerungen sind das falsche Signal
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hält die geplanten Lockerungen der Corona-Maßnahmen für das falsche Signal. Er sei beunruhigt, da die Infektionszahlen in der letzten Woche wieder gestiegen seien, sagte er am Montag im "Deutschlandfunk". "Es ist insofern schwer verständlich, warum eine Maskenpflicht in bestimmten Einrichtungen sein soll, aber zum Beispiel im Einzelhandel, der Gastronomie nicht, während man im öffentlichen Nahverkehr eine Maske aufsetzen soll. Es ist nicht so richtig durchgängig."
Am Mittwoch sollen erstmals im Bundestag Änderungen am Infektionsschutzgesetz beraten werden; die meisten bundesweiten Corona-Auflagen sollen zum 20. März entfallen. Zu Debatte stehen auch die sogenannten 3G- oder 2G-Regeln. "Das halte ich für falsch, dass das nicht mehr existiert und nicht mehr angewandt werden kann", sagte Reinhardt. "Ich finde es auch deshalb nicht richtig, weil wir ja sagen müssen, dass diese Zugangsregelungen und Beschränkungen ja auch ein bisschen dafür dienten, diejenigen, die sie bisher nicht haben impfen lassen, ein wenig milde darauf hinzuweisen, dass es vielleicht klug und gut wäre, das zu tun." Vor dem Hintergrund fände er es gut, wenn diese Regeln erhalten blieben.
Reinhardt kritisierte auch den zeitlichen Ablauf der kommenden Gesetzesänderung. "Wir haben ja den Entwurf dieser Veränderung des Infektionsschutzgesetzes als Verbände nachts um eins bekommen und sollten bis morgens um 10.00 Uhr Stellung bezogen haben", so der Präsident. "Das ist im Hinblick auf Beteiligung von Betroffenen, Verbänden und Einrichtungen, Institutionen vielleicht dann doch ein bisschen eine Farce." Es habe es im Anschluss zwar eine Entschuldigung dafür gegeben. Doch wenn es um Gesetze gehe, die eine nicht unerhebliche Tragweite hätten, wäre es nach seinen Worten wünschenswert, wenn die Beteiligten genügend Zeit zur Prüfung hätten.
Von dpa