Hessens Bauer sagen „Ja“ zu Bio – aber nicht auf Knopfdruck
Die hessische Landesregierung will bis 2025 25 Prozent der hessischen Landwirtschaftsbetriebe auf Bio-Produktion umstellen. Kann das wirklich gelingen?
Von Sven Hollerich
Das hessische Landwirtschaftsministerium hofft, dass 25 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe ihre Produktionsweise bis 2025 auf Bio umgestellt haben.
(Foto: Hollerich)
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WIESBADEN - Hunger muss in Hessen niemand leiden. Unsere Landwirte sorgen dafür, dass ein beachtlicher Teil der benötigten Lebensmittel mit heimischen landwirtschaftlichen Produkten gedeckt wird. Wurst und Fleisch stammen größtenteils von Tieren aus Zuchtbetrieben in anderen Regionen Deutschlands.
Zu welchem Preis aber und auf wessen Kosten viele Lebensmittel möglichst billig in Supermärkten zu haben sind, wurde zuletzt wieder deutlich. Es waren unappetitliche Bilder, die infolge der Corona-Pandemie aus den Fleisch-Fabriken und industriellen Großmetzgereien serviert wurden.
Der „Öko-Aktionsplan“ des hessischen Landwirtschaftsministeriums wirkt da wie Balsam auf der geschundenen Seele zweifelnder Verbraucher: Die Landwirtschaft in Hessen soll ökologischer, nachhaltiger, transparenter und vor allem aber auch regionaler werden, verspricht das Landwirtschaftsministerium in Wiesbaden. „Bis 2025 soll der Ökolandbau in Hessen 25 Prozent Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche haben“, so Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Grüne).
BIO-ZERTIFIZIERT
Alle hessischen Landkreise und Städte sind nunmehr in insgesamt 14 Ökolandbau-Modellregionen zusammengeschlossen. Landwirte aus der Stadt Wiesbaden sowie den Landkreisen Rheingau-Taunus und Limburg-Weilburg bilden die Modellregion „Nassauer Land“. „Bei uns sind aktuell 88 der insgesamt 1200 Landwirte Bio-zertifiziert“, sagt Karl-Eckart Mascus, Leiter im Amt für den ländlichen Raum in Hadamar. „Das sind 7,3 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe, die zehn Prozent der insgesamt 51 000 Hektar landwirtschaftlich genutzten Fläche bei uns bewirtschaften.“
Ist dieses Ziel aber tatsächlich erreichbar? Ende vergangenen Jahres bewirtschafteten 2266 Bio-Betriebe in Hessen eine Anbaufläche von 119 129 Hektar nach ökologischen Kriterien – was rund 15 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Hessen entspricht. 2013 waren es erst zehn Prozent.
Dass im Rhein-Main-Gebiet die Quote der Bio-zertifizierten Höfe derzeit deutlich unter dem Landesdurchschnitt liegt, verwundert nicht weiter. Schlusslicht bilden Frankfurt sowie der Landkreis Offenbach. Dort sind nur rund fünf Prozent aller Landwirte nach EU-Kennzeichnungsverordnung „Bio“-zertifiziert.
So einfach lässt sich in der Landwirtschaft der Schalter nicht auf mehr „Bio“ und „Regionalität“ umlegen, wie das Beispiel des Wetteraukreises zeigt. Der im Norden an die Stadt Frankfurt grenzende Landkreis gehörte zu den ersten drei Ökolandbau-Modellregionen, die 2015 in Hessen an den Start gegangen sind. Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche hat sich seit 2015 von 2700 Hektar (5,1 Prozent) auf 5000 Hektar im vergangenen Jahr (9,5 Prozent) erhöht. „Zu Beginn des Projekts gab es 40 Bio-Betriebe im Wetteraukreis“, teilt Pressesprechers Michael Elsass Elsässer auf Anfrage mit.
In den folgenden fünf Jahren haben dann 26 landwirtschaftliche Betriebe aus der Wetterau ihren Hof umgestellt und sich „Bio“-zertifizieren lassen. Ein Trend, der – wenngleich auf niedrigerem Niveau – auch für Südhessen gilt. In den Landkreisen Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und dem Odenwaldkreis hatte sich die Zahl der Bio-Höfe von 74 im Jahr 2010 in sechs Jahren auf 89 (2016) erhöht. „Die ökologisch bewirtschaftete Fläche in unserer ‚Ökolandbau-Region Süd‘ hat sich aber seit 2015 von 1500 Hektar auf heute fast 2600 Hektar fast verdoppelt“, so die Pressesprecherin des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Kerstin Theiß. „Landwirtschaft funktioniert aber nicht auf Knopfdruck.“
Die heimischen Bauern handeln in gewachsenen landwirtschaftlichen Strukturen und denken nicht kurzfristig, sondern in Generationen. Zwei Jahre seien da nicht viel. Die Umstellung in der Produktionsweise falle oft in die Phase der Hofübergabe an die nächste Generation. Zudem dauert es insgesamt drei Jahre, bis ein konventionell wirtschaftender Betrieb entsprechend der EU-Kennzeichnungsverordnung nach klaren Vorgaben das entsprechende Bio-Zertifikat ausweisen darf.
Klischeehaft wird vorschnell eine Milchmädchenrechnung aufgemacht: Bio-Bauern seien gut, konventionell wirtschaftende Landwirte hingegen schlecht. „Für uns ist nicht entscheidend, ob bis zum Jahr 2025 tatsächlich 25 Prozent der Anbaufläche in unserer Modellregion biologisch-dynamisch bewirtschaftet werden“, sagt dazu Karl-Eckart Mascus für die neue Öko-Region ‚Nassauer Land‘. Mit seinem Team im Amt für den ländlichen Raum der Landkreise Limburg-Weilburg, Rheingau-Taunus und die Landwirtschaft in Wiesbaden (Bio-Quote von 10 Prozent) unterstützt er die Landwirte beider Betriebsformen mit dem Ziel, gut und nachhaltig zu wirtschaften. „Beide können voneinander lernen und profitieren.“