Gastkommentar von Necla Kelek: Über das Kopftuch von Chanel
Eine Frankfurter Ausstellung zeigt moderne muslimische Mode – das ist falsch verstandene Vielfalt, schreibt Gastautorin Necla Kelek in ihrem Kommentar.
Von Necla Kelek
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Kleider "mit hochaufragendem Turban aus Seidenchiffon oder einer aufgeblähten, mit Edelsteinen besetzen Bomberjacke mit riesigen Pump-Ärmeln und Schulterstücken mit Hörnern" sind für den FAZ-Rezensenten der Ausstellung "Modest Muslim Fashion" in Frankfurt auch ein "Zeichen der Abgrenzung gegen eine als ausgrenzend empfundene Gesellschaft". Der Ausstellungsdirektor wundert sich über den Protest, den Frauenrechtlerinnen gegen die Ausstellung über moderne muslimische Mode vorbringen.
Die Apartheid muslimischer Frauen wird in der Show auf die intellektuelle Frage reduziert, ob die Kopf- und Körperfessel Hijab von Chanel oder Prada schicker designt ist; und mit Ausgrenzung meint der Kritiker nicht den islamischen Harem, sondern die irritierten Blicke der westlichen Betrachter. Aber er sieht auch eine politische Dimension: "Es kulminiert in der Frankfurter Ausstellung der ganze globale Bürgerkrieg um Identität und Anerkennung." Ein "Bürgerkrieg", besser wohl Kulturkampf, den der organisierte politische Islam seit der Machtübernahme der Mullahs im Iran an der Seite der Ölstaaten mit Petrodollars führt, die an der Kulturfront zum Beispiel solche Ausstellungen möglich machen mit großzügiger Unterstützung der Quatar Foundation.
Auf die Seite dieses missionarischen identitären Islam haben sich - freiwillig, bewusst oder unwissend - in Deutschland vor allem diejenigen geschlagen, die im Namen der Vielfalt, des Antirassismus gegen sogenannte Islamophobie auftreten. Dazu gehören auch Politiker, die lieber Apartheid von Frauen im Namen der Religionsfreiheit tolerieren, als in den Verdacht zu geraten, populistisch oder islamophob zu sein.
Unsere Gastautorin Necla Kelek ist Soziologin und Autorin. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Islam.
So argumentieren aktuell 110 "diskriminierungskritische Pädagog*innen" gegen ein Verbot des Kinderkopftuchs an Schulen; eine Forderung, für die die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes Unterschriften sammelt. Das Kopftuch, behaupten diese Lehrer, würde muslimischen Kindern helfen, "selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten". Und: "Ein Kopftuchverbot für Minderjährige würde zudem manchen Mädchen den Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehren." Sprich: Wir sind für das Kopftuch, weil der Vater die Tochter sonst nicht zur Schule lässt. Nicht die Ausgrenzung von Frauen durch Kleidung oder Stigmatisierung von Kindern als Sexualwesen wird problematisiert, nicht die Herrschaft der Männer über die Frauen, sondern das Recht, anders zu sein. Selbstbestimmung wird reduziert auf die Freiheit, Form und Farbe des Kopftuches zu wählen. Nicht die Vermittlung von Freiheitswerten, sondern die eines gleichmacherischen Kulturrelativismus ist die Position von einer nicht kleinen Zahl von Lehrenden an unseren Universitäten und Hochschulen.
Diese Kulturrelativisten, kritisiert der Islamwissenschaftler Bassam Tibi, halten "die Aufklärung für eine europäische Marotte" und alle anderen nichteuropäischen Kulturen und Traditionen für schützenswert, auch wenn sie gegen die universellen Menschenrechte verstoßen. Dabei liegt die ursächliche Schuld wie üblich beim "Westen", der, wie die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun im Buch "Verschleierte Wirklichkeit" schreibt: "...wenn es den Schleier nicht schon gegeben hätte, der Westen hätte ihn erfinden müssen". Für sie "gibt es die ,Frau im Islam' nicht" und Zwangsheirat, Ehrenmord und Genitalverstümmelung seien allgemeine Übel, hätten keine dem Islam exklusiv zuzurechnenden Ursachen. Das ist Konsens bis in manche Seminare, Institute, Stiftungen und Ministerien hinein.
Wir müssen uns nicht wundern, wenn die künftige von diesen Professoren ausgebildete Lehrergeneration es für selbstverständlich hält, wenn Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet werden, Mädchen nicht am Schwimmunterricht und Klassenreisen teilnehmen, weil sie ja "selbst ihr Leben gestalten". Die Schule als Agentur der Freiheit hat ausgedient, und mit solchen Lehrern keine Zukunft. Dafür das Kopftuch von Chanel oder H&M.