Lkw-Streik auf der A5 bei Gräfenhausen: Wie geht es weiter?

63 Lkw-Fahrer streiken auf der A5-Raststätte "Gräfenhausen-West".
© Tobias Goldbrunner

Nach dem dramatischen Zwischenfall an der Raststätte Gräfenhausen sind die Fahrer fester denn je entschlossen, zu bleiben. Der Zuspruch ist enorm, die Politik reagiert bereits.

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Weiterstadt. Hier ein Sixpack Wasser, da ein frisches Brot. Und vor allem: jede Menge aufmunternde Worte. Dutzende Privatpersonen und Vertreter von Vereinen und Organisationen waren am Ostersamstag, am Tag nach dem dramatischen Zwischenfall, auf den Rasthof Gräfenhausen-West gekommen, um die 63 Lkw-Fahrer, die dort seit mehr als einer Woche streiken, ihre Unterstützung anzubieten. Die Fahrer freut diese Resonanz, regelrecht euphorisch sprechen sie auch mit den vielen Medienvertretern. Ihre Hoffnung: Die Verhandlungen mit dem polnischen Speditionschef sollen intensiviert werden. Eins stellen die Fahrer, die größtenteils aus Georgien und Usbekistan stammen und nach eigener Aussage seit fast zwei Monaten kein Gehalt bekommen haben, jedenfalls klar: „Wir werden so lange bleiben, bis wir unser Geld erhalten.” Auf dem Rasthof können sie – Stand jetzt – noch länger ausharren. Wie die Polizei mitteilt, sei das Recht für die Versammlung zeitlich nicht befristet.

Der Speditionschef, der rund 1000 Fahrer in den Firmen „Agmaz”, „Lukmaz” und „Imperia” beschäftigt, und die 18 Mitarbeiter der Security-Firma, die mehrere Fahrer am Karfreitag bedrängt haben sollen, waren am selben Abend noch wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Polizei sprach einen Platzverweis aus – die Männer dürfen den Rastplatz also vorerst nicht mehr betreten. Noch am Freitagabend wurden die Security-Fahrzeuge, darunter auch der Panzerwagen, unter Geleit der Polizei entfernt. Wo sich die Männer aktuell aufhalten, ist nicht bekannt. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Bei Verurteilung drohen in solchen Fällen mehrjährige Haftstrafen.

DGB fordert Einreiseverbot

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte am Samstag auf Twitter: „Für fairen Lohn und menschenwürdige Arbeit streikende Fernfahrer massiv zu bedrohen und einzuschüchtern, muss deutliche strafrechtliche Folgen haben.” Ihr Parteikollege, der Vorsitzende der hessischen SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, hatte bereits am Freitag betont, der Rechtsstaat dürfe es sich „nicht gefallen lassen, dass Spediteure zur Selbstjustiz greifen und sich mit martialischen Mitteln Zutritt zu den Lastwagen verschaffen.” DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der die Security-Firma „Rutkowski Patrol” als „Schlägertrupp” bezeichnete, betonte: „Für die Festgenommenen muss die Ausweisung und Verhängung eines Einreiseverbots in die Bundesrepublik Deutschland geprüft werden, weil sie eine ernste Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen.”

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Die Verhandlungen zwischen dem Speditionschef und den streikenden Fahrern waren zuletzt ins Stocken geraten. Zunächst hatte der Inhaber noch selbst Gespräche vor Ort geführt, in den Tagen vor dem Zwischenfall dann nur noch über seine Anwälte kommuniziert. Die Fahrer beklagen, dass sie im Schnitt teils nur 80 Euro pro Tag erhielten – bei 13 Stunden Lenkzeit. Gesetzlich erlaubt sind neun Stunden, in Ausnahmefällen zehn. Einige Männer berichten, sie seien seit Monaten nicht mehr zu Hause gewesen, müssten zwei Wochen ohne freien Tag durchfahren. Fahrer müssten mitunter sogar selbst für Reparaturen aufkommen.

Wie das DGB-Projekt „Faire Mobilität”, das sich seit Tagen wie zum Beispiel auch örtliche Tafeln und das Bistum Mainz um die Fahrer kümmert, schildert, hätten diese keine Arbeits-, sondern Dienstleistungsverträge. Und dadurch weniger Rechte. „Leider sehen wir an dem Beispiel, dass Ausbeutung im Fernkraftverkehr auch in Deutschland immer noch an der Tagesordnung ist. Die Arbeitsbedingungen der oftmals osteuropäischen Fahrer sind miserabel. Vom Mindestlohngesetz können diese nur träumen”, moniert Rudolph.

Politiker kündigen Besuche an

Der Speditionschef soll den Fahrern eine Einmalzahlung in Höhe von 1000 Euro angeboten haben, was diese aber ablehnten. Am Freitag drohte die Situation dann zu eskalieren. Die Security-Mitarbeiter wollten sich Zutritt zu den Lastern verschaffen, Ersatzfahrer, die in vier Mini-Bussen an die Raststätte gebracht wurden, sollten diese dann übernehmen. Die Polizei schritt mit einem Großaufgebot ein. Gerüchten zufolge wolle der Speditionschef Insolvenz für seine Firmen anmelden und ein neues Unternehmen namens „Megatrans” aufbauen. Die Lkws sollen nach Aussagen der Fahrer dort zum Einsatz kommen. Körzell und der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema wollen nun auch den Druck auf deutsche Unternehmen erhöhen, die mit der polnischen Großspedition zusammenarbeiten sollen. Der DGB führt unter anderem DHL, Ikea und VW auf.

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Auf der Raststätte Gräfenhausen-West ging am Samstag jedenfalls wieder ein langer Tag zu Ende. Die Fahrer waren bei bester Laune, eine Polizeistreife überwacht derweil weiterhin das Areal. Für Sonntag haben sich mehrere Politiker, darunter der rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) und Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages von den Grünen), angekündigt. Die Fahrer freuen sich über die Besucher.