Die Mainzer Redakteurin Maike Hessedenz wagt den Weinfest-Test bei der Rheingauer Weinwoche in Wiesbaden. Kann das Fest mit dem Mainzer Weinmarkt mithalten?
WIESBADEN. Marktfrühstücks- und weinmarktverwöhnt. Und natürlich der Great Wine Capital Mainz und dem Rheinhessenwein verfallen. Ist das klug, unter diesen Voraussetzungen einen Ausflug auf die „ebsch Seit‘“, zur Rheingauer Weinwoche nach Wiesbaden, zu unternehmen? Kann das gut gehen? Der Spoiler vorneweg: Es geht gut. Und es schmeckt gut.
Doch eher Turn- statt Lackschuh
Außerdem: Wenn die Kollegen des Wiesbadener Kurier eine weinfesterfahrene Kollegin der Mainzer Lokalredaktion zu ihrem großen Weinfest einladen, schlägt man das nicht aus. Im Gegenteil. Der Gegenbesuch zum Mainzer Weinmarkt ist damit natürlich schon besiegelt.
Aber erst mal rüber über den dürren Rhein und rein ins urbane Getümmel. Die Wiesbaden-Experten Martin Schirling, Kurier-Lokalchef, und Kurier-Chef Olaf Streubig geizen weder mit Wein noch mit Wiesbadener Wissen und Weintipps. Ich habe die freie Auswahl: Schloss Vollrads, Schloss Johannisberg, Baron Knyphausen, Balthasar Ress – da ist die Winzerprominenz des Rheingaus auf einem Fleck versammelt. Und das vor der opulenten Kulisse von Marktkirche, Rathaus und Landtag. Die Marktkirche leuchtet fast gülden in der Abendsonne, vor dem Kirchenportal wird gejazzt. Ein paar Leo-Designerkleider wiegen sich auf High Heels im Takt. Die Mainzer Nachbarstadt zeigt sich halt gerne im Rampenlicht: Zu Recht: Die innerstädtische Baukultur kann sich sehen lassen. Und wir wollen ehrlich sein: Wenn man genau hinschaut, trägt man auch in Wiesbaden eher Turn- statt Lackschuh.
Ich strebe zur „Fressmeile“ – und vermute Hummer, Kaviar und Froschschenkel. Ein bisschen Klischeedenken muss doch erlaubt sein. Stattdessen: Grillstände, Brezel, Bratwurst, Fisch, Antipasti und Süßkram. Aha, die Kurstädter braten also auch nur mit Volksfest-Besteck. Das macht mir das Fest doch gleich noch sympathischer. Obwohl, das erzählt Martin Schirling, es früher durchaus auch mal exklusiver zuging bei der Rheingauer Weinwoche zwischen Landtag und Friedrichstraße. Das Ambiente passt schließlich; kaum vorstellbar, wie die Mainzer Innenstadt heute noch aussehen könnte, hätte es nicht den Bombenhagel des 27. Februar 1945 gegeben.
Bald dann auch Mainzer Weinmarkt
Als mir der Wiesbadener Lokalchef dann aber weismachen will, dass das denkmalgeschützte Gebäude der ehemaligen Berlinischen Lebensversicherung am Schillerplatz mit seiner wellenförmigen Dachkonstruktion das Mainzer Rathaus in Sachen Nachkriegs-Schönheit um Längen aussticht, hört der Spaß auf. Als würden wir Mainzer irgendwas auf unseren Jacobsen-Bau am Rhein kommen lassen! Beim nächsten Wein sind wir natürlich schnell wieder versöhnt: Wir gönnen uns am Stand des Wiesbadener Kurier, der zugunsten der Benefizaktion „Ihnen leuchtet ein Licht“ ausschenkt, einen noblen Grünlack vom Schloss Johannisberg. Den haben wir uns nach dem Rundgang redlich verdient.
Keine Frage: Wiesbadener Weinlaune im Herzen der Kurstadt macht eine Tour nach Hessen absolut lohnenswert. Auch, weil das Fest vor allem für eines gesorgt hat: eine noch größere Vorfreude auf den Mainzer Weinmarkt.
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Liebe Wiesbadener Kollegen, ihr seid uns vom 25. bis 28. August und vom 1. bis 4. September herzlich willkommen zur Trinkrevanche! Rechnet aber damit, dass ihr dann die Sakralbauten und Prachtmauern gegen einen Platz auf der Wiese des Stadtparks unter majestätischen Bäumen, mit Blick auf Rosen und Flamingos eintauschen müsst. Wir freuen uns drauf – und wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Rheingauer Weinwoche bei euch.
Wer jetzt noch Appetit auf einen Besuch in Wiesbaden bekommen hat: Die Weinwoche geht noch dieses Wochenende, bis Sonntag, 21. August.