Hätte der Wagen des Paares aus dem Nachbarkreis nicht anhalten müssen, um das Kind auf der Rückbank wieder zu sichern, wäre es vielleicht nie zu einem Gerichtsverfahren gekommen.
Von hrw
Symbolfoto: Sebra - Fotolia
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
VOGELSBERGKREIS - Hätte der Wagen des Paares aus dem Nachbarkreis nicht anhalten müssen, um das Kind auf der Rückbank wieder zu sichern, wäre es möglicherweise nie zu einem Gerichtsverfahren gekommen. So aber stieg die Mutter an diesem Pfingstmontag vor zwei Jahren auf der Straße im Vogelsbergkreis aus, um die hintere Tür zu öffnen, bemerkte auf dem angrenzenden Acker ein Reh, das sich auffällig verhielt, ging auf das Tier zu und entdeckte dabei auf dem frisch gemähten Gras ein totes, völlig verstümmeltes Rehkitz. Sie fotografierte die Situation, ihr Pfingstausflug endete schließlich mit einer Anzeige des Vorfalls bei der Polizei und führte zu einem Strafverfahren gegen den Besitzer des Grundstücks, das jetzt, im dritten Anlauf, vor dem Amtsgericht Alsfeld verhandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft warf dem 56-jährigen Landwirt vor, beim Mähen des Ackers den Tod des Tieres verursacht und gegen das Tierschutzgesetz verstoßen zu haben, weil er der von ihm geforderten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei.
Ein Vorwurf, den der Landwirt von Prozessbeginn an bis zu seinem Schlusswort vehement zurückwies. Er sei das gesamte ungefähr zwei Morgen große Gelände "dreimal längs und dreimal quer abgelaufen", habe "von außen nach innen " gemäht und nichts entdeckt: "Kein Reh und auch keinerlei Spuren". Da das Rehkitz, wie die Fotos zeigten, auf dem gemähten Gras lag, hielt er es für möglich, dass das Tier von einem Auto erfasst und dann auf seinen Acker gelegt wurde. "Ich komme mir vor, wie jemand, dem man eine tote Katze unter das Auto gelegt und ihn dann angezeigt hat", machte er deutlich, aus seiner Sicht zu Unrecht angezeigt worden zu sein.
Da zwangsläufig ohne Augenzeugen des Vorfalls kam den Ausführungen des Vogelsberger Amtstierarztes als Sachverständigen eine entscheidende Bedeutung zu. Weil die Setzzeit der Rehe in die Zeit der ersten Mahd im Frühjahr falle, würden von den Landwirten entsprechende Schutzmaßnahmen gefordert, erläuterte er. Das vom Angeklagten erwähnte selbstständige Ablaufen bezeichnete er als ungeeignet. Die bei einem dreimaligen Ablaufen eines so großen Geländes zwangsläufig entstehenden großen Lücken machten es unmöglich, ein wie in diesem Fall so kleines, gerade einmal einige Tage altes Kitz zu entdecken. Ablaufen sei eine von mehreren denkbaren Alternativen, dann aber "nur mit einem geübten Hund". Dass das Rehkitz von einem Auto oder Motorrad erfasst und anschließend auf dem Acker abgelegt wurde, hielt der Sachverständige für unwahrscheinlich. Dagegen spreche das Verletzungsbild des Tieres. Ein solches Bild sei ihm bei Auto- oder Motorradunfällen "noch nie vorgekommen".
Hauptsächlich mit Bezug auf die Ausführungen des Amtstierarztes hielt die Vertreterin der Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 1800 Euro für den in ihren Augen schuldigen Angeklagten für angemessen. Dessen Verteidigerin forderte, ihren Mandanten freizusprechen, da es "keinen einzigen hundertprozentigen Beweis gibt, dass er das Kitz totgemäht hat".
Mit seinem Urteil nahm der Richter, nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis an die Prozessparteien, Bezug auf einen bis dahin nicht erwähnten Paragraphen des Tierschutzgesetzes, bei dem es nicht um das grundlose, sondern das vorsätzliche oder fahrlässige Töten von Tieren geht. Dies wird dann rechtlich nicht als Straftatbestand, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt. So fiel dann auch das Urteil aus. Wegen fahrlässiger Tötung eines Wirbeltieres muss der 56-Jährige eine Geldbuße von 1000 Euro zahlen.