Der Ausschuss für Bauen, Umwelt und den ländlichen Raum des Vogelsberger Kreistages lehnte mit großer Mehrheit den Antrag der Grünen zum Klima- und Artennotstand im Vogelsberg ab und empfahl stattdessen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung den gemeinsamen Änderungsantrag von CDU und SPD zum Thema. Zuvor hatten die Verwaltungsmitarbeiter Anja Püchner und Joachim Schönfeld in Referaten auf bereits laufende Projekte wie das Naturschutzgroßprojekt und "Natura 2000" verwiesen. Während der Ausschusssitzung im Lauterbacher Landratsamt gingen Gabriele Szepanski (Grüne) und Dietmar Schnell (Die Linke) noch über den ursprünglichen Grünen-Antrag hinaus und forderten, für den Vogelsbergkreis den "Klimanotstand" auszurufen. Doch mit diesem Ansinnen standen sie alleine da.
Von Frank Schäfer
Auch der Vogelsbergkreis wurde in den vergangenen Sommern von Hitzewellen überrollt. Kein Grund, den "Klimanotstand" auszurufen, findet der Kreistagsausschuss für Bauen, Umwelt und ländlichen Raum. Foto: dpa
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VOGELSBERGKREIS - Der Ausschuss für Bauen, Umwelt und den ländlichen Raum des Vogelsberger Kreistages lehnte mit großer Mehrheit den Antrag der Grünen zum Klima- und Artennotstand im Vogelsberg ab und empfahl stattdessen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung den gemeinsamen Änderungsantrag von CDU und SPD zum Thema. Zuvor hatten die Verwaltungsmitarbeiter Anja Püchner und Joachim Schönfeld in Referaten auf bereits laufende Projekte wie das Naturschutzgroßprojekt und "Natura 2000" verwiesen. Während der Ausschusssitzung im Lauterbacher Landratsamt gingen Gabriele Szepanski (Grüne) und Dietmar Schnell (Die Linke) noch über den ursprünglichen Grünen-Antrag hinaus und forderten, für den Vogelsbergkreis den "Klimanotstand" auszurufen. Doch mit diesem Ansinnen standen sie alleine da.
Die Grünen wollten in ihrem Antrag den Kreisausschuss und die Verwaltung auffordern, Notmaßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und für das Erreichen der Klimaziele zu ergreifen. Sämtliche Entscheidungen der Gremien sollten auf ihre Auswirkungen auf Artenschutz und Klima geprüft werden, der Kreisausschuss einen Fünf-Jahres-Plan vorlegen, ein Dialogforum eingerichtet und die Sparkasse Oberhessen um finanzielle Unterstützung gebeten werden. Im Änderungsantrag dazu, den Stephan Paule (CDU) und Matthias Weitzel (SPD) formuliert hatten, wurde dagegen festgestellt, dass der Kreis bereits jetzt Maßnahmen "in einer riesigen Bandbreite" ergreife und diese fortgesetzt werden sollten. Für die Haushaltspläne 2020/21 solle noch ein Förderprogramm "Streuobstwiesen im Vogelsberg" aufgelegt werden. Die Biodiversitätskonferenzen sollen laut CDU/SPD-Antrag im Sinne "Runder Tisch" als Dialogforum fortgesetzt und der Ausschuss regelmäßig über Maßnahmen unterrichtet werden.
Doch bevor über die vorliegenden Anträge diskutiert und abgestimmt wurde, informierten Anja Püchner und Joachim Schönfeld in Präsentationen über laufende Natur- und Artenschutzprojekte. Püchner, die auch Vorsitzende des Trägervereins "Natur und Lebensraum Vogelsberg" ist, berichtete über das seit dem Jahr 2015 laufende "Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg", das in seinen Dimensionen bis in den Main-Kinzig-Kreis (Birstein und Steinau), den Wetteraukreis (Gedern und Nidda) sowie den Kreis Gießen (Laubach, Grünberg und Hungen) reicht. Bis 2024 werden laut Püchner in 53 Förderräumen auf 7592 Hektar für 9,3 Millionen Euro Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählen lauf der Referentin Bergmähwiesen, Borstgrasrasen, magere Flachlandmähwiesen, Quell- und Bachregionen, Moore, Berg-Buchenmisch- und Blockschuttwald, Prozessschutz, spezielle Maßnahmen für bedeutende Arten wie Schwarz- und Rotstorch sowie Rotmilan und zudem die Neophytenbekämpfung. Insgesamt seien bereits 387 Projekte umgesetzt beziehungsweise gestartet worden. Püchner erinnerte daran, dass dieses Naturschutzgroßprojekt in diesem Sommer durch Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) als "Projekt der UN-Dekade ,Biologische Vielfalt'" ausgezeichnet wurde.
Joachim Schönfeld verwies in seinem ausführlichen Vortrag auf das "Natura-2000"-Management und Artenhilfskonzepte im Kreis. Im Vogelsbergkreis wirtschaften nach seinen Angaben bereits 237 Betriebe komplett nach den Vorgaben des ökologischen Landbaus, mit rund 23 Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche nehme der Vogelsbergkreis hessenweit einen Spitzenplatz ein, die Nachfrage unter den Landwirten steige stetig. Gefördert würden zudem besonders nachhaltige Verfahren im Ackerbau und beim Dauergrünland. Weiter würden die Vielfalt der genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft sowie der Arten- und Biotopschutz in Agrarökosystemen gefördert. Im Bereich des "Natura 2000" entstehe ein zusammenhängendes Netz von FFH- und Vogelschutzgebieten. Zudem gebe es gezielte Artenhilfskonzepte, zum Beispiel für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, die Arnika-Pflanze, das Braunkehlchen und den Wiesenpieper, für Amphibien, den Edelkrebs, die Groppe und den Biber. Abschließend bezeichnete es der Verwaltungsmitarbeiter als Aufgabe aller beteiligten Akteure, "eine Balance zwischen der Verpflichtung zum Natur- und Klimaschutz und der Akzeptanz bei den Flächennutzern und der hier lebenden Bevölkerung zu erreichen".
In der Diskussion erklärte Matthias Weitzel (SPD), dass er den Grünen-Antrag nicht "abwürgen" wolle, sondern vielmehr den bereits beschrittenen Weg weitergehen und dabei alle Akteure einbinden wolle. Dietmar Schnell (Die Linke) zeigte sich "erschüttert" über den Änderungsantrag von CDU/SPD. "Es reicht bei Weitem nicht, einfach so weiterzumachen", sagte Schnell. Vielmehr sei es sinnvoll, den Klimanotstand auszurufen, "um die Menschen wachzurütteln und um nicht unterzugehen". Gabriele Szepanski (Grüne) sagte, dass es darum gehe, den Ernst der Lage zu erkennen. Sie sei fassungslos über den "lapidaren, nichtssagenden Änderungsantrag". Der sei "einfach nur peinlich". Um ein Zeichen zu setzen, solle man den Klimanotstand ausrufen. Erster Kreisbeigeordneter Jens Mischak (CDU) war dagegen, einen solchen Klimanotstand auszurufen, das erwecke in der Bevölkerung nur Ängste. "Es kann doch nicht unser Anspruch sein, dass wir alle Probleme der Welt lösen", fügte er hinzu. Und Landrat Manfred Görig (SPD) sagte: "Der Vogelsbergkreis hat nichts verpennt." Der Kreis sei auf dem richtigen Weg und der Antrag der Grünen "völlig fehl am Platz". Claudia Blum (SPD) bezeichnete ebenso wie Dr. Birgit Richtberg (CDU) den Vogelsbergkreis als Vorreiter. Blum empfahl den Grünen, ihren Antrag zurückzuziehen.