Kreistag: Mehr Chancen zur Entwicklung gefordert

Der Vogelsbergkreis wird von der Regionalen Planungsgemeinschaft mehr Entwicklungschancen im Regionalplan Mittelhessen einfordern. Foto: Regierungspräsidium Gießen

Bei der Diskussion um den Regionalplan Mittelhessen prallen im Vogelsberger Kreistag konträre Meinungen aufeinander. Die Koalition setzte sich durch.

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VOGELSBERGKREIS. Der Vogelsberg solle nicht das Naturschutzreservat Hessens werden, „die Kommunen müssen die Chance haben sich zu entwickeln“, engagierte sich Landrat Manfred Görig (SPD) in der Debatte um den künftigen Regionalplan Mittelhessens, der für die nächsten zwölf Jahre die Weichen stellt für die Bauleitplanung der Städte und Gemeinden des Kreises. Aktuell wird ein Planentwurf für die Neufassung dieser Entwicklungsvorgaben diskutiert. Die CDU/SPD-Koalition, die FDP und auch die AfD sahen die Entwicklungschancen der Region gedrosselt, Grünen sowie der Fraktion von Linken und Klimaliste war die vorgesehene Flächenversiegelung zu hoch angesetzt. Letztlich entschied sich der Kreistag in seiner Stellungnahme zum Planentwurf für die Variante der Großen Koalition und lehnte die Anträge der kleineren Fraktionen ab. Der Vogelsbergkreis wird von der Regionalen Planungsgemeinschaft also mehr Entwicklungschancen einfordern.

Der Kreistag hatte seine Beratungen mit einer Schweigeminute zu Ehren der Opfer des russischen Überfalls auf die Ukraine, „des unsinnigen Krieges“ begonnen, wie es Kreistagsvorsitzender Dr. Hans Heuser (CDU) formulierte. Hier herrschte große Einigkeit im Plenum des Kreisparlamentes, unterschiedliche Sichtweisen prallten dann bei der Beurteilung des Entwurfes zur Regionalplanung aufeinander. Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Udo Ornik sah sich dabei als Pontifex des Naturschutzes, der eine Brücke bauen wollte zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Entwicklungszielen. „Doch über diese Brücke wollen sie nicht gehen“, bedauerte er die Haltung der Großen Koalition, welche die Forderung der Grünen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs inklusive eines Katalogs an Bedingungen ablehnte. Linken-Sprecher Dietmar Schnell warf der Koalition „Ignoranz“ gegenüber den Notwendigkeiten im Hinblick auf den Klimawandel vor. 300 Hektar für neue Gewerbegebiete seien zu viel, die Mindestzuweisung für jede Gemeinde von fünf Hektar Fläche für die Gewerbeentwicklung solle auf drei Hektar reduziert werden.

In die entgegengesetzte Richtung zielt der letztlich mit großer Mehrheit beschlossene Antrag von CDU und SPD, der vom SPD-Unterbezirksvorsitzenden Patrick Krug vorgestellt wurde. Die Koalition kritisiert dabei besonders die in der Planung zugrunde gelegte Bevölkerungsprognose mit starker Schrumpfung der Einwohnerzahlen als Entwicklungsbremse, die zudem an der Realität mit Blick auf die Zuzugsentwicklung vorbeigehe. Die negative Auswirkung sei eine zu geringe Ausweisung von Gewerbegebieten, wobei die Koalition allerdings nicht so naiv sei zu glauben, dass jede Ansiedlung von Gewerbe sozial und ökologisch ein Gewinn sei.

Die Koalition kritisierte auch die Auswirkungen des Planentwurfes auf die Landwirtschaft. Die Flächenbilanz weise einen Rückgang bei den Vorranggebieten für die Landwirtschaft um neun Prozent oder 4 277 Hektar aus. Massiv seien Vorranggebiete zu Vorbehaltsgebieten herabgestuft worden. Ertragreiche Böden seien herabgestuft, dafür steinige Böden aufgewertet worden. CDU-Fraktionsvorsitzender Stephan Paule setzte die genannten 300 Hektar, die für die Gewerbeansiedlung vorgesehen seien, in Relation zu 3 200 Hektar Land, die die Landwirtschaft durch Ausweisung als Vorrang-Gebiet für Natur und Landschaft verliere.

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Hart prallten die Meinungen in der Diskussion bei der Beurteilung der Ansiedlung von Logistikunternehmen aufeinander. „Logistikzentren sind der falsche Weg“, formulierte Grünensprecher Dr. Ornik. Dort werde alles automatisiert, Roboter ersetzten die Arbeitsplätze. „Hoher Flächenverbrauch und wenig Arbeitsplätze“, kritisierte auch Lars Wicke für die Freien Wähler. Wicke verwies darauf, dass von den früher ausgewiesenen Flächen zur Gewerbeansiedlung nur ein Drittel in Anspruch genommen worden sei, nicht alle Kommunen könnten die ihnen zugestandene Entwicklungsfläche von fünf Hektar überhaupt in Anspruch nehmen.

„Es darf keine Unterscheidung in gutes Gewerbe und schlechtes Gewerbe geben“, forderte dagegen FDP-Fraktionsvorsitzender Mario Döweling. „Wir brauchen jegliche Art von Gewerbe, wir brauchen auch Impulse von außen.“

Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak (CDU) verwies auf den Druck, der im Kreis durch den verstärkten Zuzug entstehe, weil die Bevölkerung in den Nachbarregionen die Vorzüge des Lebens im ländlichen Raum erkenne. AfD-Sprecher Gerhard Bärsch vermutet, dass die negativen Bevölkerungsprognosen vor der Corona-Pandemie erstellt worden seien. Landrat Görig warnte vor einer Selbstbeschneidung bei der Forderung nach Entwicklungsmöglichkeiten, denn die Nachbarn seien nicht unbedingt an einer Stärkung des Vogelsbergkreises interessiert. „Wir wollen nicht das Abstellgleis werden für das, was die anderen nicht haben wollen.“ Der Zuzug in die Region sei seit 2015 zu beobachten und habe pro Jahr die Größenordnung der Einwohnerzahl von zwei Dörfern.