Kalbacher Ex-Bürgermeister muss ins Gefängnis

Das Landgericht Fulda verurteilt in einem Berufungsprozess den Kalbacher Ex-Bürgermeister (links) wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. © Andreas Schellenberg

Landgericht Fulda verurteilt in Berufungsverhandlung ehemaligen Kalbacher Rathauschef wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

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FULDA. Im Berufungsprozess um den ehemaligen Kalbacher Bürgermeister vor dem Fuldaer Landgericht ist das Urteil gefallen. Der 43-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Strafe ist nicht zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ex-Bürgermeister 34.000 Euro von einem an Demenz erkrankten Mann veruntreut hat. Das Geld wird eingezogen. Während der rund einstündigen Urteilsbegründung hatte der Angeklagte seinen Blick durchgängig auf den Vorsitzenden Richter gerichtet. Dieser machte deutlich, dass das Gericht ohne jeden vernünftigen Zweifel von der Schuld des Angeklagten überzeugt sei. Es wurde als erwiesen angesehen, dass der ehemalige Bürgermeister, der als Betreuer des mittlerweile verstorbenen Geschädigten über diverse Vollmachten verfügte, an 34 Tagen zwischen Ende Januar 2020 und Mitte Juni 2020 jeweils 1000 Euro vom Konto des dementen Rentners abgehoben und für den eigenen Lebensunterhalt genutzt hat.

Opfer noch einmal geschädigt

"Tote oder auch Demente können sich nicht wehren", sagte Richter Dr. Jochen Müller. Mit der Verteidigungsstrategie, die Demenz des Seniors in den Mittelpunkt zu stellen und alles damit zu erklären, sei der Geschädigte ein zweites Mal Opfer geworden. Es habe sich das Bild eines manipulativen Angeklagten mit einem taktischen Verhältnis zur Wahrheit gezeigt. Als die Abhebungen bekannt geworden seien, habe er sich zunächst zurückgehalten und geschwiegen und dann immer nur das eingeräumt, was nicht mehr zu leugnen gewesen sei, zum Beispiel die 22 Geldabhebungen ab März, zu denen Videoaufnahmen vorlagen.

Als Beispiel für manipulatives Verhalten führte Müller eine demonstrativ durchgeführte Geldabhebung an, die stattfand, nachdem die Abhebungen aufgefallen waren. Der Angeklagte habe vielleicht zu viel auf seinen Status als Bürgermeister und Leiter des Ordnungsamts vertraut. "Sie sind und waren nicht dumm, sondern dreist. Dumm war es nur, zu versuchen, das Gericht als dumm zu verkaufen", sagte Müller.

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In seiner Urteilsbegründung blickte Müller auf die Vorgeschichte, die damit begann, dass der ehemalige Bürgermeister und der später Geschädigte sich 2012 im Ordnungsamt kennenlernten. 2014 habe der Angeklagte umfangreiche Vollmachten von dem älteren Herrn erhalten, sei aber nie in Erscheinung getreten. Das Heim, in das der Geschädigte im Verlauf der folgenden Jahre zog, habe erst davon Kenntnis erlangt, als 2019 ein Betreuungsverfahren eingeleitet wurde. Dadurch habe dann auch der Angeklagte Kenntnis über die beginnende Demenz des Mannes, als dessen Betreuer er dann eingesetzt wurde, erlangt. Am 20. Januar 2020 habe der Angeklagte gemeinsam mit dem Geschädigten die Sparkasse aufgesucht und eine Umbuchung von 40.000 Euro vom Sparbuch des Seniors auf dessen Girokonto veranlasst. Vier Tage später, erfolgte die Anweisung an das Heim, Post an den Geschädigten nicht mehr diesem, sondern ihm als seinem Betreuer auszuhändigen. Nach Auffassung des Gerichts sollte damit verhindert werden, dass der Geschädigte auf die Kontobewegungen aufmerksam wird. Am folgenden Tag erfolgte die erste Abhebung von 1000 Euro, was dem täglichen Limit entspricht. Am 15. Juni 2020 habe der Angeklagte versucht, erneut eine Umbuchung von 25.000 Euro zu erreichen. Aber der Sachbearbeiter hatte gewechselt und der Filialleiter untersagte die Umbuchung und brachte damit den Stein ins Rollen.

In der sich im Laufe der beiden Prozesse immer wieder geänderten Version des Angeklagten ging es im Grunde darum, dass der Geschädigte die ersten Abbuchungen selbst vorgenommen habe und mit dem Lockdown ihn beauftragt habe, das Geld abzuheben und ihm ins Heim zu bringen. Das Geld habe der Senior dann versteckt und/oder seiner in den USA lebenden Tochter und Enkelin sowie einer erst ganz am Ende ins Spiel gebrachten vertrauten Person im Heim geschenkt. Das machte für den Richter keinen Sinn. So habe der Geschädigte zum Beispiel Bargeld nie am Automaten, sondern immer am Schalter und das auch in einer anderen Filiale als der vom Angeklagten genutzten abgehoben. Er habe noch nicht einmal seinen Pin gewusst. Die Geldübergaben seien auch nicht schlüssig. Seien tatsächlich mehrmals mehrere Tausend Euro an der Tür des Heims übergeben worden, hätte sich der Angeklagte den Empfang auch von den Mitarbeitern quittieren lassen können.

Hätte der Angeklagte im Auftrag des Geschädigten gehandelt, hätte er auch einfach am Schalter die gewünschten Beträge von mehreren Tausend Euro abheben können, anstatt dafür mehrmals zu einem Geldautomaten eine halbe Stunde von seinem Wohnort entfernt zu fahren, führte das Gericht an. Müller kam zu dem Schluss: "Es wäre aberwitzig so zu handeln und sich so dem Untreuevorwurf auszusetzen." All das habe einzig dem Zweck gedient, den Weg des Geldes zu verwischen. Für die Eigennutzung des veruntreuten Geldes sprächen die Korrelation, dass es keine Abhebungen vom eigenen Konto in diesem Zeitraum gebe, und ein Blick auf den Finanzbedarf der Familie zu diesem Zeitpunkt, der auch mit den angeblich von der Mutter in der Tiefkühltruhe gesparten und geschenkten 15.000 Euro nicht zu decken sei.

Bei der Bemessung des Strafmaßes floss zugunsten des Angeklagten ein, dass er nicht vorbestraft war, die Schadenssumme in jedem der 34 Fälle einzeln betrachtet vergleichsweise gering war, es keine Kontrollmechanismen gab und seine Fallhöhe aufgrund seines Amtes groß war. Gegen ihn habe gesprochen, dass die Untreue eigennützig war und er die Hilflosigkeit eines anderen ausnutzte. Der Versuch, einer erneuten Umbuchung lege nahe, dass eine Fortsetzung der Taten geplant gewesen sei. Auch sprach der Richter von Skrupellosigkeit.

Gegen das Urteil ist noch Revision möglich.