"Das ist ein Winterrampur, ein Wirtschaftsapfel, eher zum Keltern geeignet." Heinrich Sauerbier vom Warthof bei Grünberg erkennt auf Anhieb den Apfel, den ihm Thomas Braun aus seinem Garten mitgebracht hat.
Von Margaret Perkuhn
Die Geehrten und Ehrengäste (von links): Helmut Schleuning, Vorsitzender Harald Hanslik, Dietmar Gerhard, Manfred Schlosser, Herbert Steuernagel, Bürgermeister Leopold Bach und der stellvertretende Landesvorsitzende (LOGL) Wolfgang Gerlach (Bild links). 20 verschiedene Apfelsorten hatte Referent Heinrich Sauerbier mitgebracht (Bild rechts). Fotos: Perkuhn
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KÖDDINGEN - "Das ist ein Winterrampur, ein Wirtschaftsapfel, eher zum Keltern geeignet." Heinrich Sauerbier vom Warthof bei Grünberg erkennt auf Anhieb den Apfel, den ihm Thomas Braun aus seinem Garten mitgebracht hat. Dass der dazugehörige Apfelbaum wohl mehr als 70 Jahre auf seinem knorrigen Buckel hat, das weiß der Köddinger, der den Baum seit seiner Kindheit kennt. Nur eben den Namen der Apfelsorte, den konnte ihm bisher niemand sagen. Heinrich Sauerbier, Besitzer von über 5000 Obstbäumen, an diesem Tag vor Ort Referent über alte und neue Apfelsorten, er schüttelt die Bezeichnung quasi "aus dem Ärmel". Kisten voll mit insgesamt 20 Sorten verschiedenster Äpfel hat der versierte Obstbauer in der dritten Generation in das Köddinger Dorfgemeinschaftshaus geschleppt. Wobei der Anlass dazu am vergangenen Donnerstag ein Geburtstag der außergewöhnlichen Art war: Sein 125-jähriges Jubiläum feierte der Obst- und Gartenbauverein Köddingen.
In fröhlich geselliger Runde verbrachten weit über 100 Gäste quer durch alle Generationen bei zünftigem Mittagessen, bei Kaffee und Kuchen sowie bei den interessanten Ausführungen des oben genannten Referenten. Begonnen hatte die Veranstaltung mit einer festlichen Andacht im örtlichen Dorfgemeinschaftshaus, gehalten von Pfarrerin Dorothea Witznik. Während des sich anschließenden offiziellen Teils konnte Harald Hanslik als der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Köddingen strahlend die Ehrenurkunde des Landesverbandes Hessen für Obstbau, Garten und Landschaftspflege, kurz genannt LOGL, entgegennehmen. Überreicht wurde sie durch Wolfgang Gerlach, stellvertretender Vorsitzender des LOGL. Letzterer sprach unter anderem seine besondere Anerkennung für das Engagement des Vereins aus, das sich nicht nur öffentlich zeigt durch die Beteiligung am prächtigen alljährlichen Blumenschmuck im Dorf, durch pflegerische Maßnahmen oder beispielsweise durch Spenden für den örtlichen Spielplatz. Wolfgang Gerlach erläuterte zum einen, dass eine "Wandlung des Zwecks" von den ehemals für die Ernährung der Bevölkerung so wichtigen Obst- und Gartenbauvereine stattgefunden hat, hin zu dem Wahren von Natur und Ökosystem. Dabei gelte das momentane Credo: "Die Nachwuchsarbeit beginnt im Kindergarten."
"In dasselbe Horn" stießen bei ihren Begrüßungen die weiteren offiziellen Gäste, unter ihnen Bürgermeister Leopold Bach (parteiunabhängig, aber FPD-Mitglied), Manfred Schlosser als Vertreter vom Kreisverband Alsfeld "Zur Förderung des Obst- und Gartenbaus und der Landschaftspflege" und Ortsvorsteher Matthias Ramann. Glückwünsche und Präsente wurden überbracht von vielen Obst- und Gartenbauvereinen der Umgebung sowie von allen ortsansässigen Vereinen Köddingens. Harald Hanslik brachte in einem Abriss die bewegende Chronik des Vereins, der aktuell 76 Mitglieder zählt, auf den Punkt. Gegründet 1892 wurde "die Ortsgruppe Köddingen, Kreis Schotten, des Oberhessischen Obstbauvereins mit Sitz in Friedberg". Bereits seit 1965 wird eine Mostanlage betrieben, die in den vergangenen Jahren erweitert und modernisiert wurde.
Schließlich gehörten besondere Ehrungen einzelner langjähriger Mitglieder zum Prozedere. Darunter sogar eine für 70-jährige Mitgliedschaft für Rudolf Traum, der aus gesundheitlichen Gründen wie manch anderer seine Auszeichnung nicht persönlich entgegennehmen konnte. Geehrt wurden des Weiteren: Philip Frank (50 Jahre), Hugo Diegel, Helmut Schleuning und Wilfried Stein (alle 40 Jahre). Zu Ehrenmitgliedern wurden ernannt: Herbert Steuernagel und Dietmar Gerhard.
In seinen Ausführungen zu verschiedensten Apfelsorten, die die Gäste auch probieren durften, bezog sich Heinrich Sauerbier unter anderem auf das Klima im Vogelsberg mit seiner relativ kurzen Vegetationszeit. Dabei sei es nicht zuletzt Aufgabe der örtlichen Obst- und Gartenbauvereine, entsprechend passende Sorten für die jeweiligen Ortslagen und Gegebenheiten heraus zu finden.
In Erinnerung bleiben wird die Jubiläumsfeier den Gästen als eine lebendige Veranstaltung, die gekonnt einen flockig munteren Bogen schlug zwischen Geselligkeit und interessanten Informationen, zwischen Jung und Alt die Waage hielt. Alles konnte gelingen auf den Eckpfeilern eines funktionierenden Miteinanders der vielen Helfer hinter und vor den Kulissen. Sei es beim Backen der Kuchen, sei es in der dampfenden Küche des Dorfgemeinschaftshauses, sei es beim Auf- und Abbau der großen Hüpfburg und anderer Spielmöglichkeiten für die Jüngsten, oder etwa beim mühevollen Ausbringen der stimmungsvollen herbstlichen Deko mit Kürbissen der ausgefallensten Arten, unter anderem mit besonderer Unterstützung der Familie Michael Wolf. Im Kopf blieb bei dem ein oder anderen ein Satz von Manfred Schlosser: " Die Natur braucht den Menschen nicht. Aber der Mensch braucht die Natur."