Die SPD-Fraktion und Landtagsabgeordnete sprechen sich für Industriegebiet "Am weißen Weg" in Alsfeld aus. Wie sie ihre Entscheidungen begründen.
ALSFELD. Nach der Ankündigung in der Stadtverordnetenversammlung im März, die Abgeordneten im Hessischen Landtag in Sachen Industriegebiet "Am Weißen Weg" einzuschalten, haben sich die SPD-Stadtverordneten vor Ort mit dem Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Tobias Eckert, und dem SPD-Landtagsabgeordneten Heinz Lotz, am zukünftigen Industriegebiet getroffen, um die aktuelle Lage zu besprechen. Das teilt die Alsfelder SPD in einer Pressemitteilung mit. Dabei wurden der aktuelle Sachstand, die Umweltbelastung sowie Vor- und Nachteile beleuchtet. Auch die Frage nach einer möglichen Rückkehr von den Plänen am Homberg wurden diskutiert.
SPD-Fraktionsvorsitzender Achim Quehl begrüßte die beiden Abgeordneten gemeinsam mit Patrick Krug, Vorsitzender der SPD-Vogelsberg, und gab einen Einblick zum derzeitigen Sachstand. Das Gelände werde wegen der Hanglage in zwei bis drei Etagen geplant, auf dem höchstgelegenen Gelände werde Nordwest Handel ansiedeln, DHL von etwa der Mitte des Geländes bis hin zur Bahnstrecke, immer begrenzt durch die B 62 und auf der anderen Seite durch den namensgebenden "Weißen Weg". DHL hat freundlicherweise das Gelände übernommen, wo die meisten Cut-and-Fill-Arbeiten, also Erdbewegungen, und Ausgleichsmaßnahmen für den Tier- und Umweltschutz durchzuführen sind, sagte Quehl. Mit dem Rückblick auf die Historie des Gebietes, dem eine Planung seit nunmehr mehr als zehn Jahren vorausgeht, startete man den Rundgang am 44 Hektar großen Gelände vom höchsten Punkt aus.
Es sei eine Wahl des kleineren Übels gewesen, vor der die Stadtpolitik bei der Vorstellung der ersten Interessenten gestanden hätte. "Denn niemand möchte die Logistik so wirklich haben. Andererseits ist sie aktuell mit einer der aufstrebenden Branchen in unserem Land", so Quehl. Ob bei Kassel, Gießen, Fulda oder vor Frankfurts Toren - überall entstünden Hallen von Unternehmen der Logistikbranche.
Tobias Eckert, Mitglied im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss des Hessischen Landtages, gab einen Überblick auf die Situation in Hessen. "Gerade die Kreise und Städte, die entlang der großen Autobahnen liegen, sind natürlich sehr gefragt bei den Logistikunternehmen." Eckert nahm zudem den Antrag der Stadtverordneten für mehr Lärmschutz entlang der A 5 und B 62 entgegen. Neben einer Lärmschutzwand fordern die Stadtverordneten auch die Überwachung von fließendem und ruhendem Verkehr (unsere Zeitung berichtete). Denn auch ein Lkw, der im Wohngebiet parkt, sei eine Störung der Ruhe der Anlieger. Der Lkw-Ausweichverkehr zur Umgehung von Mautgebühren der A 5 müsse konsequent geahndet werden. Allerdings könne man nicht so einfach an den gesetzlichen Bestimmungen vorbei agieren und einfach eine Lärmschutzwand bauen lassen. Die Hürden dafür sind hoch und die gesetzlich festgelegten Lärmgrenzwerte müssen überschritten werden.
Der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Dr. Christoph Stüber sieht laut Pressemitteilung noch andere Aspekte: "Mit DHL-Express wird man in Alsfeld einen Partner der DHL-Gruppe erhalten, der als deutsches Unternehmen auch den uns bekannten Gesetzen und Regeln unterliegt. In steuerlicher wie auch personeller Hinsicht wird sich DHL-Express an die arbeitsrechtlichen Bedingungen halten müssen. Des Weiteren wird es Ausbildungsplätze geben, die unserem Schulstandort Alsfeld weiterhelfen werden."
Auch die möglichen Folgen einer Umkehr vom eingeschlagenen Weg wurde besprochen. Die SPD befürchtet, dass die jetzt aktiven Unternehmen Schadenersatzansprüche an die Stadt stellen könnten, weil sie sich auf die Beschlüsse der Stadtverordneten verlassen und daran gebunden sehen. Es könnte also ein jahrelanger Rechtsstreit entstehen und das Gewerbegebiet noch sehr viele Jahre brach liegen, wenn man es nicht an die Unternehmen verkauft, die jetzt aktuell ein großes Interesse haben, heißt es in der Mitteilung. Zusätzliche, für Alsfeld neue Unternehmen des produzierenden Gewerbes würde man zwar favorisieren, doch würden diese wohl nicht nach Alsfeld kommen.
Schließlich sei man auf die umweltpolitischen Argumente zu sprechen gekommen. Hier konnte Heinz Lotz als Mitglied des Umweltausschusses im Hessischen Landtag berichten, dass das Gelände wie im Regionalplan ausgeschrieben als Vorbehaltsgebiet Landwirtschaft und wie im Gutachten von 2012 geschrieben, lediglich als Ackerfläche oder Wiesenland nutzbar ist. "Hier liegen keine gesetzlich zu schützenden Gebiete vor. Die 44 Hektar große Fläche beinhaltet weder Biotope, noch Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete oder Natura-2000-Flächen." Auch das Thema Wasserversorgung konnte besprochen werden. Die im Gewerbegebiet angedachten Unternehmen benötigen keine erhöhten Wassermengen. Eine Papierfabrik hätte da ganz andere Wasserbedarfe, die es eventuell sogar nötig gemacht hätten, einen weiteren Brunnen bohren zu müssen. Doch dieses Unternehmen hatte sich selbstständig von der Interessentenliste verabschiedet. Abschließend konnte Patrick Krug berichten, dass der Vogelsbergkreis als Landkreis "zwischen den Autobahnen" immer wieder von Anfragen der Logistiker betroffen ist. "Ein entscheidender Vorteil des Vogelsbergkreises gegenüber anderen Regionen ist nun einmal seine zentrale und verkehrsgünstige Lage in der Mitte Deutschlands und Europas. Wenn wir wollen, dass sich die gute Entwicklung, die der Kreis in den letzten Jahren genommen hat, fortsetzt, müssen wir auch diesen Vorteil nutzen und Gewerbegebiete entlang der Hauptverkehrsachsen, wie hier am Weißen Weg, entwickeln." Natürlich bringe Gewerbeansiedlung auch Belastungen mit sich, die man nicht ignorieren dürfe und mit geeigneten Auflagen und Maßnahmen so gering wie möglich halten müsse. Aber unter dem Strich überwiegen die Vorteile des Gewerbegebiets und die daraus sich ergebenden Entwicklungschancen für Alsfeld und die Region die Nachteile, heißt es in der Mitteilung.
Am Ende hätte die Stadt 2020 über den Bebauungsplan die Logistikbranche ausschließen können, was aber von Seiten der aktuellen Koalition nicht möglich gemacht wurde, wird Achim Quehl zitiert. Auch habe man es vor zwei Jahren abgelehnt, die gesetzlichen Vorgaben in Sachen Umwelt- und Klimaschutz oder auch zu Energieeinsparungsmaßnahmen explizit dort noch einmal aufzunehmen und der Sache Nachdruck zu verhelfen, wie es von der Opposition beantragt worden sei. Einig sei man sich darin gewesen, dass wenn nicht in Alsfeld gebaut werde, dann wohl in Romrod, Gemünden oder Homberg. Den Verkehr habe man dennoch in der Stadt, aber keine Vorteile. Dann wenigstens etwas die Einnahmen der Gewerbesteuer erhöhen und die Arbeitsplätze vor der Haustür haben, heißt es abschließend in der Pressemitteilung.