Neujahrsempfang im Alsfelder Rambachhaus

Ingrid (v.r.) Julia Ratmann und Susanne Fett stoßen vor dem Konzert von Vladimir Vinogradov  mit den Bewohnern auf das neue Jahr an. © Anja Kierblewski

Neujahrsempfang im Rambachhaus nach drei Jahren Corona-Pause wieder mit Mietern des seniorengerechten Wohnens

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ALSFELD. "Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich ein Singvogel darauf niederlassen" - mit diesem chinesischen Sprichwort beendete Julia Ratmann, Juniorchefin des Alsfelder Rambachhauses, den offiziellen Teil des Neujahrsempfangs für die Senioren der Residenz und leitete zum musikalischen Part mit dem russischen Domra-Spieler Vladimir Vinogradov über.

Zuvor hatte Pfarrer Horst Nold einen evangelischen Gottesdienst im Kulturhaus gehalten - erstmals nach drei Jahren Corona-Pause auch mit den Mietern des seniorengerechten Wohnens in der Nachbarschaft der Seniorenresidenz. Mit dem Neujahrsempfang wurde die gemeinsame Freizeitgestaltung wieder aufgenommen - für die sich vor allem die Bewohner des angegliederten Wohngebäudes viele Konzerte gewünscht haben.

Kein Blick in die Zukunft

Pfarrer Nold schaute in seinem Gottesdienst zurück auf das vergangene Jahr, wagte aber bewusst keinen Blick in die Zukunft - "manchmal ist es gut, dass wir nicht wissen, was auf uns zu kommt." Um Gottvertrauen bat er die Gemeinde und betete mit ihr um Gesundheit und Frieden - überall auf der Welt.

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Julia Ratmann und Susanne Fett, Betreuungsdienstleiterin des Hauses, ergriffen nach dem feierlichen und musikalisch umrahmten Gottesdienst das Wort an die Gäste. Ratmann erinnerte in ihrer Ansprache daran, was vor 100 Jahren war und wie die Menschen über die Zukunft dachten. Dabei berief sie sich auf eine Umfrage von Paul Faire von der Uni Calgary: 1923 glaubten die Menschen, dass 2023 durch den Fortschritt der Elektrizität nur noch vier Stunden Arbeit pro Tag notwendig seien, dass es weniger Ärzte geben werde, weil Krankheiten wie Krebs, Tuberkulose oder Kinderlähmung ausgeheilt seien, dass die durchschnittliche Lebensdauer weit über 150 Jahre liege und die Menschen alle schön sein würden, sodass Schönheitswettbewerbe sinnlos wären. Nicht ganz so utopisch waren die Ideen, dass eine Polarfluglinie eröffnet werde, die Flüge von Chicago nach Hamburg innerhalb von 18 Stunden möglich mache, und dass es Funktelefone in Uhrengrößen geben werde, mit denen man sich mit jedem Ende der Welt in Verbindung setzen könne.

Susanne Fett ermutigte die Bewohner mit Wünschen für das neue Jahr: "Menschen wünsche ich dir, denen du vertrauen kannst und die dir vertrauen, die dich verstehen und denen du dein Verstehen schenkst." Wünsche, die die Bewohner des Seniorenheimes und die Nachbarn im seniorengerechten Wohnen, aber auch die Mitarbeiter des Hauses, einige mit Migrationshintergrund, sehr gut gebrauchen können. "Die Zeit ist für uns alle schwer - für die Senioren hier in ihrem Alterswohnsitz, Corona und der Krieg in der Ukraine", fasste Fett zusammen, was während des Vormittages "mitschwang". "Wir haben hier einige Mitarbeiterinnen mit russischen Wurzeln, die ihre Familien schon lange nicht mehr gesehen haben - erst Corona, dann der Krieg. Von unseren Senioren haben viele den Zweiten Weltkrieg hautnah miterlebt, die Nachrichten wecken alte Erinnerungen, holen Schmerz wieder hoch und machen traurig. Wir alle wünschen uns Frieden."

Das Konzert des 58-jährigen Russen war mit dem Titel "Musik für den Frieden" überschrieben. Vinogradov wurde in Moskau geboren, fand dort schnell seine Liebe zur Musik und zu dem außergewöhnlichen russisch-ukrainischen Instrument Domra. Er studierte an der Musikhochschule in Moskau und kam vor 25 Jahren nach Deutschland. Heute lebt er in Saarbrücken und unterhält vorwiegend Bewohner in Seniorenheimen oder Behindertenwohnstätten mit seiner Instrumentalmusik vom Dreiseiteninstrument. "Dom" heißt auf russische "Haus" und "ra" heißt "Freude" - der Name war Programm, der Saitenspieler brachte Freude in das Rambachhaus. Er spielte ein buntes Programm aus beliebten und bekannten russischen und deutschen Liedern, die die Bewohner zum Mitsingen motivierten. Vladimir Vinogradov spielte seine Musik neben dem Neujahrsempfang im Kulturhaus, auch in den einzelnen Wohnbereichen der Stationen und besuchte Bewohner in ihren Zimmern.