Folgenreicher Frustsuff

Vor dem Amtsgericht Alsfeld müssen sich zwei Jugendliche verantworten.  Archivfoto: Arnold

Es wurde ein folgenreicher Frustsuff, den sich zwei junge afghanische Flüchtlinge vor 14 Monaten in Alsfeld leisteten.

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ALSFELD. Es wurde ein folgenreicher Frustsuff, den sich zwei junge afghanische Flüchtlinge vor 14 Monaten leisteten. Aus Enttäuschung an diesem Tag zum wiederholten Male eine Absage für eine gemeinsame Wohnung erhalten zu haben, kauften sie sich Wodka und zogen ins Alsfelder Erlenstadion. Im Laufe des Besäufnisses gerieten sie in Streit, es flog auch eine Faust. Sie traf einen gemeinsamen Freund am Auge, das zu bluten begann. Unbeteiligte riefen die Polizei. Was dann geschah, als die Streife am Ort des Geschehens eintraf, brachte den 19 und 20 Jahre alten Männern eine Anklage vor dem Jugendschöffengericht ein, die jetzt verhandelt wurde.

Um zu klären, was sich dort abgespielt hat, war das Gericht auf die beiden Streifenbeamten und weitere sechs Zeugen angewiesen. Die beiden Angeklagten haben, wenig verwunderlich, keine Erinnerung ans Geschehen. Ein Gutachter bescheinigt beiden zur Tatzeit rund 3,5 Promille im Blut. Die fünf Flaschen Wodka, die die beiden Angeklagten nach eigenem Bekunden gekauft und getrunken haben, zog er bei seiner Berechnung, weil unrealistisch und wahrscheinlich tödlich, gar nicht erst in Betracht und ging von einer Flasche pro Kopf aus.

"Hackevoll", so beschrieb dann auch einer der beiden Streifenbeamten seinen ersten Eindruck von den beiden jungen Männern, die sofort aggressiv geworden seien und ihn und vor allem seine Kollegin übelst beschimpft hätten. Eine Personenfeststellung sei nicht möglich gewesen. Erst "als er von mir die Wucht bekommen hat", sei es ihm möglich gewesen, am Boden einem der beiden Männer Handschellen anzulegen. Dem sei es dennoch gelungen, aufzuspringen und seiner Kollegin, die sich um dessen mit Händen und Füßen wehrenden Freund gekümmert habe, mit voller Wucht in den Rücken zu springen und ihr einen Tritt in die Nierengegend zu verpassen. "Ich habe ausgesehen wie ein Eisbonbon", schilderte die Polizeibeamtin dem Gericht ihre blauen Flecken an Schulter, Armen und Rücken.

Mehr noch als die körperlichen Schmerzen setzten ihr nach ihren Worten die sexuellen Beleidigungen und Beschimpfungen "auf unterstem Niveau" zu. Sie hatte den Eindruck, vor allem als Frau das Ziel der Aggression der Angeklagten zu sein. "Das richtete sich alles allein gegen mich, nicht gegen meinen Kollegen", erinnerte sie sich, "das war schon eine Hausnummer". Deshalb nahm sie auch eine Entschuldigung der beiden Angeklagten nicht an.

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Einige Tage nach dem Vorfall hatten sich beide, als ihnen deutlich gemacht worden war, wie sie sich im Erlenstadion benommen hatten, handschriftlich bei den Polizisten entschuldigt und ihr Verhalten mit dem für sie ungewohnten starken Alkoholgenuss begründet. Eine Entschuldigung, die beide in ihrem Schlusswort wiederholten.

Dass die beiden Angeklagten nach Jugendrecht bestraft werden sollen - darüber bestand zwischen Staatsanwalt und Pflichtverteidigern Einigkeit. Mit dem Urteil, wegen fahrlässigem Vollrausch eine Verwarnung auszusprechen und Freizeitarrest zu verhängen, folgte das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts, dem die beiden Verteidiger nicht widersprochen hatten. Die Richterin sprach bei der Urteilsbegründung die Situation der beiden Angeklagten an, die, fast noch Kinder, allein in ein fremdes Land kamen und sich allein zurechtfinden mussten. Dem sei sich das Gericht durchaus bewusst gewesen, mit dem Arrest sollte aber ein "deutliches Zeichen" gesetzt werden, "dass man so mit Menschen nicht umgehen kann". In ihrer Begründung ging sie auch auf die Kritik ein, die eine Verteidigerin am Verhalten der Polizei geübt hatte. Sie hatte moniert, dass die Polizeibeamten "nicht zur Deeskalation der Situation beigetragen haben". Angesichts hackevoller Beteiligter hätten sie die nötige Einsicht haben müssen, das Ganze ruhig anstatt mit Gewalt anzugehen. "Dadurch ist die Situation ausgeartet".

Nach Einschätzung des Gerichts ist den Polizisten "kein Vorwurf zu machen". Ihr Verhalten war, so die Richterin, "der Situation geschuldet und nicht dem Wunsch, draufzukloppen".

Das Urteil hat Rechtskraft, es wurde noch im Gerichtssaal von den beiden Angeklagten und dem Staatsanwalt angenommen.