Unternehmen aus der Region werben in der Alsfelder Hessenhalle um Nachwuchskräfte. Offene Ausbildungsstellen gibt es zu Genüge. Der Andrang hielt sich in Grenzen.
ALSFELD. "Marktplatz-Ausbildung" in der Hessenhalle Alsfeld: Schon in der ersten Woche nach Schulstart haben am Freitag die Schüler der weiterführenden Schulen, angehende Schulabgänger und Berufseinsteiger im Vogelsbergkreis die Gelegenheit bekommen, sich vor Ort in zwei Messehallen in einem Spektrum von mehr als hundert Unternehmen, Handwerksbetrieben, Bildungseinrichtungen und Institutionen vielfältiger Branchen hautnah zu informieren über die aktuellen Aus-, Weiterbildungs- oder gar beruflich-aufstockenden Studienangebote auf dem regionalen Arbeitsmarkt.
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"Nach zwei Jahren Corona-Pause kann das Kommunale Jobcenter diese wertvolle Messe nun wieder in der Hessenhalle in Präsenz veranstalten. Ich freue mich sehr, dass viele von ihnen sich für die Ausbildungsmesse interessieren und heute hierhergekommen sind, um sich vom großen Angebot der Region zu überzeugen", eröffnete Landrat Manfred Görig (SPD) am Morgen die Messe zur Berufsorientierung im Beisein vieler Vertreter aus der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und der Schullandschaft. Die Ausbildungsmesse biete Informationen zu verschiedenen Berufsfeldern, lade zum Kennenlernen der Firmen und Ansprechpartner ein und stelle erste Weichen für das spätere Berufsleben. Summa summarum zeigten 109 Aussteller, dass die Wirtschaft im Vogelsberg stark sei und jede Menge anzubieten habe. Um moderne und zukunftssichere Berufe auszuüben, brauchten die Schüler nicht weit zu pendeln oder gar wegzuziehen aus dem Kreisgebiet und das wiederum werde jedem klar beim Rundgang durch die Halle, so der Landrat. Für die Region bleibe indes die Sicherung des Fachkräftebedarfs sowie die Suche nach Nachwuchskräften eine zentrale Aufgabe für die Zukunft. Umso wichtiger sei das Engagement der Betriebe, junge Menschen für sich zu begeistern und mit attraktiven Ausbildungs- und Karrierechancen im Vogelsbergkreis zu halten, machte Görig deutlich.
Die Messe bot für Ausbildung, Beruf und Karriere eine "Win-Win-Situation" auf beiden Seiten. Die jungen Leute zogen teils allein, zu zweit oder in größeren Gruppen durch die Gänge, sammelten Infos, suchten das Gespräch mit den Repräsentanten oder ließen sich ansprechen. Im Vergleich zu den vielen vorausgegangenen Ausbildungsmessen vor Corona aber schien die diesjährige Wahl des Termins von schulischer Seite durch den frischen Schulstart unglücklich - das Empfinden etlicher Lehrkräfte und Firmenvertreter signalisierte eine auffallend geringere Beteiligung an Schülern und jungen Erwachsenen auf der Suche nach ihrem Traumberuf.
Generell habe sich die Gestaltung der beruflichen Zukunft für heutige Schulabgänger oder junge Leute immens verändert: "Heute suchen die Betriebe händeringend Auszubildende, im Gegensatz zu früher, als sich die Jugendlichen um einen Ausbildungsplatz bemühen mussten", gewährte Berufseinstiegsbegleiterin Marion Damer vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft einen Einblick in ihre Arbeit. Im Zuge der pandemischen Entwicklung bekamen die Schüler in den vergangenen zwei Jahren kaum Möglichkeiten für ein betriebliches Praktikum zum Reinschnuppern in den Beruf, ob dieser gefällt und liegt. Eine Folge dessen - die Jugendlichen zögerten nun den Schritt, eine Ausbildung einzugehen. Lieber schöpften sie weiterhin alle Möglichkeiten der Schule aus und griffen zu einem Mini-Job, um ein Stück weit ungebunden zu sein.
Mit Freuden war das Interesse der Alsfelder Realschülerinnen Lea Luckow, Luise Heil und Leonie Boß zu beobachten, die schnurstracks-geradeaus den Stand der Mode- und Maßschneider der Max-Eyth-Schule Alsfeld als Startpunkt ihrer Recherche wählten. "Mode fasziniert, ist kreativ, man kann sich darin ausdrücken, ausprobieren und ausleben. Man arbeitet im Design und kann seine eigene Note und Persönlichkeit ansprechend ausdrücken. Nähen ist einfach cool, nachhaltig und grenzenlos", hatte das Mädels-Trio bereits eine genaue Vorstellung dessen, warum sie diesen Beruf priorisierten. Begeistert schauten sie an der Nähmaschine zu, inspizierten ein ausgestelltes Modell und wandten sich auch mit ihren Fragen an die fachlich begleitende Lehrerschaft.
Über eine mangelnde Kommunikation dürfte sich kein Besucher beschweren können. Die Geschäftsführer, Mitarbeiter, Auszubildenen, Gesandten und Angehörigen der Handwerksbetriebe, Unternehmen, Banken, Behörden, Institutionen, Kranken- und Altenpflege-Bereiche sowie staatlichen Dienste wie Polizei und Bundeswehr luden immer wieder die flanierende Generation dazu ein, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, an Mitmachangeboten teilzunehmen und die Berufe vom Einstieg einer Ausbildung bis hin zu den Aufstiegsmöglichkeiten in der Chefetage näher kennenzulernen.
Erfreulicherweise machten die jungen Messebesucher auch um "gefürchtete" Betriebsprüfer vom Finanzamt Alsfeld und Lauterbach keinen Bogen. Constanze Bischof und Alexander Reinsch hatten gut zu tun. Manchmal wurde das Team direkt und punktgenau zu seiner Ausbildung mit Studiengang angesprochen. Oftmals sprach das Duo die Jugendlichen einfach persönlich an und bemerkte eine gelöste Lockerheit bei eher schüchternen Schülern.
"Vom Pflegebett in den Rollstuhl" sorgte sogar ein großer Gemeinschaftsstand zum Thema Pflege bei vielen Jugendlichen für praxisnahes Anschauungsmaterial. Mutig ließen sich dabei vornehmlich die männlichen Jugendlichen auf den Versuch ein, die Perspektive eines pflegebedürftigen Menschen beim Umsetzen vom Bett in den Rollstuhl hautnah durch die fachmännischen Griffe des Fachpersonals zu eruieren, wenn auch das Gelächter der Kameraden drohte.
"Es muss nicht immer ein Studium sein, eine absolvierte Ausbildung ist ein Fundament. Man hat etwas in der Tasche und kann jederzeit darauf aufbauen", machte schließlich der Alsfelder Luis Lämmer aus eigener Erfahrung vielen Schülern am Stand von MK-Versuchsanlagen und Laborbedarf in Mücke Mut. Nach dem Abitur ging der junge Mann den umgekehrten Weg und gewann durch sein Uni-Schnuppern die Einsicht zur fundierten Ausbildung. Jetzt ist er im letzten Ausbildungsjahr und hält ein fachbezogenes Studium nicht für ausgeschlossen. Seine Begleiter Aiana Kurmanova und Vitaly Schwarz, der Ausbildungsleiter Elektro, konnten am Morgen schon einige Anfragen zu einem Schnupper-Praktikum vermelden. "Schüler, bei denen wir schon einmal an der Schule waren, erkennen uns und sprechen uns darauf an", freute sich das Trio über den kleinen Impuls. Wie viele andere Betriebe im Vogelsberg hat auch diese familiär gehaltene Firma noch viele Ausbildungsstellen zu vergeben. "Ein Zeugnis sagt nichts über einen Menschen aus. Im persönlichen Kennenlernen lässt sich vieles besprechen", brachten die Firmenvertreter das noch immer bevorzugte Hauptkriterium menschlicher Begegnung auf den Punkt.