Pro & Contra: Mit dem Flieger ans Mittelmeer – Ist das okay?
Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Tausende kehren mit dem Flugzeug aus dem Urlaub zurück. Ist das Fliegen in Zeiten des Klimawandels in Ordnung? Wir müssen reden.
Region. Mit dem Wohnwagen in den Süden, dem Interrail-Ticket durch Europa oder dem Flugzeug rund um die Welt: Nach fast sechs Wochen Ferien starten die Schulen wieder ihren Unterricht. Unsere Verkehrsmittel spielen in Zeiten des Klimawandels eine immer größere Rolle. Immer wieder wird dabei auch über den Einfluss von Kurzstreckenflügen auf das Klima diskutiert. Ist ein Verbot von Flugreisen im Inland oder unter 1000 Kilometern die einzige Lösung? Die Reporter Robin Eisenmann und Tim Würz von unserer Klimaserie diskutieren die Frage.
Nichts steht so sehr für Freiheit wie das Fliegen. Wer den Menschen diese Möglichkeit zum Reisen nehmen möchte, der betreibt nur Symbolpolitik.

Wir können es uns klimatisch schlichtweg nicht leisten, weiterzumachen wie bisher. Niemand will den Urlaub verbieten – nur die fragwürdigen Wege, ans Ziel zu kommen.

Pro: Den Kurzstreckenflug zu verteufeln ist schlichtweg falsch
Wir müssen nicht darüber streiten, dass das Verreisen mit dem Zug die klimafreundlichste Art ist und auf lange Sicht auch bleiben wird. Und doch: Nichts steht so sehr für Freiheit wie das Fliegen. Wer den Menschen diese Möglichkeit zum Reisen nehmen möchte, der betreibt nur Symbolpolitik.
Ein Blick auf die Landkarte reicht da schon aus, um auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Städte wie Paris, London, Wien oder Mailand sind vielleicht problemlos mit dem Zug erreichbar. Bei den Reisezielen Barcelona, Rom oder Dublin würde man sich diese Art der Mobilität aber sicher zweimal überlegen – und am Ende wohl doch zum Flugticket greifen. All diese Städte liegen aber in einem geschätzten Radius von rund 1000 Kilometern um Frankfurt herum und gelten laut Definition des Statistischen Bundesamtes als Kurzstreckenflug.
Diese Flugziele nun zu verteufeln ist ungerecht und schlichtweg falsch. Mobilitätsforscher der Universität Brüssel und der TU Dortmund zeigen, dass Kurzstreckenflüge einen erheblich kleineren Einfluss auf das Klima haben als gedacht. Die Studie mit Daten zu Passagierflügen aus 31 europäischen Ländern belegt, dass Abflüge unter einer Entfernung von 500 Kilometern knapp 28 Prozent aller Flüge in den untersuchten Ländern ausmachten. Der Anteil am verbrauchten Kerosin aller Flüge liegt allerdings nur bei 5,9 Prozent. Der krasse Gegensatz: Langstreckenflüge über 4000 Kilometer machen gerade einmal sechs Prozent der Flugaktivität aus, sind aber schuld an 47 Prozent des verbrannten Kerosins.
Worauf in der Diskussion über Flugverbote selten eingegangen wird: Der technologische Fortschritt kommt auch im Luftraum stetig voran. Forscher arbeiten an Konzepten, um den Kerosinverbrauch weiter zu reduzieren oder klimaschädliche Effekte wie Kondensstreifen zu verhindern. Auch die Vision vom klimaneutralen Fliegen ist bei den Fluggesellschaften angekommen. Ihnen müssen wir die nötige Zeit zur Weiterentwicklung geben, statt auf kurze Sicht einfach nur den CO2-Ausstoß zu verhindern.
Schließlich zeigen doch schon die ewig währenden Diskussionen um das Tempolimit, autofreie Sonntage oder der Zwang zum Veggie-Day, dass eine Verbotskultur die breite Gesellschaft nicht erreicht. Wer also glaubt, dass ein Verbot oder eine spürbar höhere Besteuerung von Kurzstreckenflügen das Problem lösen könnte, wird sich wundern. Fluggesellschaften schnappen sich die frei gewordenen Abflug-Slots für ihre Langstreckenmaschinen. Gleichzeitig reisen Urlauber mit Fernweh einfach öfter in die Südsee, über den großen Teich oder in die Emirate – das Klima wird sich freuen.
Contra: Schädlichkeit in keinem Verhältnis zum Nutzen
Egal, in welchem Verhältnis Kurzstreckenflüge zu längeren Flugreisen stehen: Das Flugzeug ist und bleibt das umweltschädlichste Fortbewegungsmittel, egal auf welche Entfernung. Und gerade Kurzstrecken machen es noch viel ineffizienter, weil die besonders energieintensiven Flugphasen, Start und Landung, viel mehr vom Gesamtflug ausmachen. Dabei sind genau diese Flüge so viel vermeidbarer: Bahn und Fernbus sind speziell für solche Strecken eine echte Alternative. Dass diese etwas langsamer unterwegs sind: Zumindest für Ultrakurzstrecken sei das geschenkt. Rechnet man zu den Flugzeiten auch noch Boarding, Check-in, Gepäckabholung und die Reise zum Flughafen, die im Gegensatz zu Bahnhöfen abgelegener, außerhalb der Stadtzentren liegen, bleibt vom Zeitgewinn des Fluges oft nichts bis nicht viel übrig.
Dagegen steht dann der CO2-Verbrauch des Fliegens: Sechsmal mehr als mit dem ICE, neunmal mehr als mit dem Fernbus verbraucht der Flug auf gleicher Strecke. Das steht in keinem Verhältnis, und sollte deswegen auch keine Alternative sein – gerade da es Alternativen gibt. Und auch eine Fahrt alleine im Auto weist immer noch eine leicht bessere Bilanz auf: 154 gegen 214 Gramm CO2 pro Kilometer. Schon eine zweite Person im Fahrzeug macht die Fahrt dann wieder deutlich sparsamer. Freiheitsempfinden hin oder her: Wir können es uns klimatisch schlichtweg nicht leisten, weiterzumachen wie bisher. Niemand will den Urlaub verbieten – nur die fragwürdigen Wege, ans Ziel zu kommen.
Frankreich macht es seit 2021 vor: Dort sind Kurzstreckenflüge verboten, solange es eine direkte Zugverbindung gibt, die weniger als zweieinhalb Stunden braucht. Das könnte auch ein Modell für Deutschland sein, vielleicht sogar mit einer Ausweitung auf vier Stunden, um mehr als nur die allerkürzesten Verbindungen auszuschließen. Anders sieht das aus, wenn die Strecke übers Meer verläuft – dann ist das Flugzeug die einzig sinnvolle Variante. Auch für längere Strecken darf es kein Verbot geben: Dann schließt man Urlauber:innen aus, deren Reisezeit eh knapp ist – und bei dem Preis langer Zugfahrten wird ein normaler Urlaub plötzlich eine soziale Frage. Noch. Denn statt eines puren Verbots von Flügen sollte der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel durch Preis und die Qualität des Angebots erfolgen. Also: Zug- und Fernbustickets für Reisen finanziell unterstützen, dafür endlich Kerosin versteuern. Wenn jetzt schon die komplett unsinnigen Verbindungen gesetzlich ausgeschlossen würden: Ja, gerne, danke schön. Der Rest muss als Wandel unserer Reisegewohnheiten geschehen. Das Klima wird sich freuen.