Die britische Band spielt eine mitreißende Stadionshow. Sänger Chris Martin überrascht mit ein paar Worten auf Hessisch – und mit einem deutschen Songtext.
FRANKFURT. Konfettiglitzer liegt in der Luft, Feuerfontänen schießen aus dem Bühnenboden. Zum Song „Adventure of a lifetime“ verwandeln 50.000 Zuschauer das Frankfurter Stadion in ein Bällebad, spielen sich Hunderte aufgeblasene Weltkugeln zu. Die britischen Pop-Rocker von Coldplay haben am Samstagabend im Deutsche Bank Park einen energetischen Deutschland-Auftakt ihrer „Music of the spheres“-Tour gefeiert. Binnen Stunden war die Show im Vorjahr ausverkauft. Coldplay legen gleich zweimal nach, spielten auch gestern nochmals in Frankfurt. Ein weiteres Konzert gibt es hier am Dienstagabend. Dann geht es für drei Shows nach Berlin und weiter nach Frankreich.
Ein besonderes Erlebnis
Vieles der aufwendig inszenierten Gute-Laune-Show auf Welttournee war zu erwarten: der Vorspann, bei dem das Quartett um Sänger Chris Martin wie gewöhnlich zu feierlicher Tonkonserve einläuft. Und auch der Auftakt mit „Higher Power“, sowie knapp zweieinhalb Stunden Potpourri mit Ohrwürmern aus fast allen der neun Studioalben der Band. Und doch gibt es in Frankfurt manche Überraschung. Der Routine und der basslastigen Stadionakustik zum Trotz zaubern Coldplay zahlreiche innige Momente.
Mit „Frankfurt, ei gude wie?“ begrüßt Frontmann Chris Martin das entzückte Publikum, fesselt es mit unbändiger Spiellaune und Herzlichkeit. Die Ballade „Paradise“ beginnt er solo am Klavier. Über zwei riesige runde Leinwände am Bühnenrand gelingt der emotionale Blickkontakt mit den Konzertbesuchern bis hinauf auf die Ränge. Martin singt leidenschaftlich, schwitzt drei T-Shirts durch, scheint immer wieder beseelt von dem textsicheren Chor, der ihm aus dem Publikum entgegenschallt. „The Scientist“, „Hymn of the weekend“ und „Yellow“ gehören zu den gefeierten Hits. Manchmal lässt Martin sich fallen, kullert wie ein Kind über die Bühne, scheint im Wohlgefühl zu baden.
Ökologische Projekte im Vordergrund
So pompös inszeniert die Show, so faszinierend schlicht erscheint die einfache Pub-Besetzung dieser Band auf Welttournee. Allein vier eingespielte Musiker liefern den kraftvollen Rock. Gitarrist Jonny Buckland, Schlagzeuger Will Champion und Guy Berryman am Bass. Backgroundsänger, Begleitband oder Roadies, die bei Kollegen gern unzählige Instrumente reichen, findet man bei Coldplay nicht. Auf der riesigen Hauptbühne wirken die Musiker mitunter wie Würfel auf einem großen Tisch. Zu intimen Momenten kommen sie den Steg entlang zu einem Podest inmitten der Arena, spielen dicht bei ihren Fans.
Bei „Viva la vida“ peitscht der Schlagzeuger den Rhythmus stehend an Pauken voran. Am Horizont ziehen startende Flugzeuge vorbei. Und während sich bei „Human Heart“ die Sonne senkt, gewinnt die Lichtshow an Strahlkraft. Mit LED-Armbändchen am Handgelenk wird ein jeder Besucher selbst Teil der Illumination. Digital ferngesteuert blinken sie in aufwendigen Choreographien, zaubern ein buntes Lichtermeer. Die Bändchen haben Tradition bei Coldplay-Konzerten. Sie wurden weiterentwickelt, werden wiederverwendet. Zudem sei das Plastik kompostierbar, informiert ein Werbespot zu Beginn der Show. Für das Konzert werde Strom aus erneuerbaren Energien genutzt, über einen kinetischen Boden könnten die Fans durch Bewegung selbst zur Energieerzeugung beitragen. Und mit einem Teil der Eintrittsgelder weltweit ökologische Projekte gefördert, heißt es.
Ein entfliehen aus dem bedrückenden Alltag
„A sky full of stars“ singt Chris Martin zum Finale mit seinen Fans in die Sternennacht. Die Band kommt wieder, zu folkigen Zugaben auf einer Minibühne, jetzt in der Ostkurve: Martin greift die Akustikklampfe, widmet die Ballade „Sparks“ aus frühen Bandtagen seiner Mutter. „Sie ist heute hier im Publikum“, verkündet er beseelt. Eine Gastmusikerin an der Pedalsteel steuert Countryklänge bei. Im gleichen Klanggewandt überrascht die Band mit einer Version von „Magic“, komplett auf brüchigem Deutsch gesungen: „Willst Du mich fragen, glaub ich an Magic? Natürlich ja!“.
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Die Songs „Fix You“, „Humankind“ gibt es als weitere Zugaben von der Hauptbühne zu hören – und das im Vorjahr erschienene „Biutyful“. Galaktisches Synthesizerzwitschern und ein quietschiges Duett mit einer Alien-Puppe, entführt hier in ungewöhnliche Sphären. Chris Martin verneigt sich immer wieder vor seinen Frankfurter Fans. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ihr uns in diesen Zeiten besucht. Corona, Verkehr, Putin, Preise, die Ökonomie“, zählt er auf. Eine jähe Erinnerung an das Weltgeschehen, von dem sich die Fans in Frankfurt an diesem Abend gebannt entführen ließen.
Von Daniel Patrick Görisch