Oberbürgermeister können nur von den Bürgern abgewählt werden. Klingt gut, wird aber zum Problem, wenn man einen Problem-Bürgermeister loswerden will wie derzeit in Frankfurt.
FRANKFURT. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) will nicht weichen: Die Stadtverordneten haben ihm das Vertrauen entzogen, seine eigene Partei fordert seinen Rücktritt, aber "Pattex-Peter", wie er in einer Schlagzeile genannt wurde, harrt weiter aus. Die einzige Möglichkeit, einen amtierenden Bürger- oder Oberbürgermeister ohne dessen Zustimmung loszuwerden, ist seine Abwahl. In Frankfurt wurde das vor einer Woche auf den Weg gebracht, aber der Ausgang ist offen. Der Fall hat eine Debatte ausgelöst, ob die Hürden für die Abwahl von Stadtoberhäuptern zu hoch sind.
Frist für Feldmann endet diesen Donnerstag
Die Regeln dafür sind in Paragraf 76, Absatz 4 der Hessischen Gemeindeordnung nachzulesen: Erst muss mindestens die Hälfte der Gemeindevertreter die Abwahl beantragen, dann müssen zwei Drittel dem Abwahlantrag zustimmen. Der OB hat danach eine Woche Zeit, die Abwahl anzunehmen - für Peter Feldmann endet diese Frist an diesem Donnerstag. Akzeptiert er das Votum nicht, wonach es gegenwärtig aussieht, folgt ein Bürgerentscheid.
Der Termin ist in Frankfurt für den 6. November festgesetzt. Dabei müssen mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten für die Abwahl stimmen. Angesichts niedriger Wahlbeteiligungen bei kommunalen Entscheidungen könnte die Abwahl an dieser Vorgabe scheitern. Bei der Stichwahl und Feldmanns Wiederwahl 2018 hatten insgesamt nur 30,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Lesen Sie dazu auch: Frankfurt verliert die Geduld: Abwahl von Feldmann gestartet
Dieses sogenannte Quorum ist der entscheidende Punkt. Die Opposition im hessischen Landtag hält die Hürde für zu hoch. AfD und FDP schlagen vor, auch für die Abwahl von Stadtoberhäuptern das gestaffelte Quorum zu übernehmen, das für Bürgerentscheide gilt. Danach müsste die Mehrheit in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern mindestens 15 Prozent, in Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern mindestens 20 Prozent und in den sonstigen Gemeinden mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten betragen.
Ein Abwahlverfahren vor dem Ablauf einer Amtszeit müsse unabhängig von der Größe der Stadt oder Gemeinde faktisch umsetzbar sein, erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende René Rock. Daher sollte Hessen dem Vorbild Brandenburgs folgen, und das Quorum staffeln. Bei kleineren Gemeinden sei die Wahlbeteiligung in der Regel höher, daher stelle das gegenwärtige Quorum kein Problem dar, argumentierte der kommunalpolitische Sprecher der AfD, Bernd Erich Vohl. Für größere Städte, wo die Wahlbeteiligung zurückgeht, sei die Hürde hingegen schwerer zu überwinden.
Nicht alle sind allerdings dieser Meinung. Während der SPD-Fraktionsvorsitzender Günter Rudolph wissen ließ, die Sozialdemokraten würden "sich einer konstruktiven Diskussion" über das Thema nicht verweigern, sind die Grünen im Landtag dagegen: "Es gibt in Frankfurt eindeutig ein Problem mit dem amtierenden Oberbürgermeister", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jürgen Frömmrich. "Darum aber das kommunale Wahlrecht zu ändern, wäre unverhältnismäßig."
Auch der Direktor des Hessischen Städtetags, Stephan Gieseler, ist dagegen, wegen eines "Einzelfalls" die Gemeindeordnung zu ändern. Das Abwahlverfahren sei "vielleicht komplex, aber es ist auch basisdemokratisch". Dass ein direkt gewählter Bürgermeister nur direkt abgewählt werden könne, findet er "konsequent und richtig". Mit der Idee, das Quorum zu staffeln, kann er sich nicht anfreunden: "Mir kann keiner erzählen, dass Demokratie in einer großen Stadt anders aussehen soll als in einer kleinen."
Die Abwahl von Gemeindeoberhäuptern ist laut Städtetag äußerst selten. Genaue Zahlen dazu hat der Verband indes nicht, Gieseler schätzt die Zahl auf "eine Handvoll in 15 Jahren". Prominentester Fall war Margret Härtel (CDU) in Hanau: Nach Vorwürfen der Vorteilsannahme im Amt wurde sie 2003 durch ein Bürgervotum mit 89,5 Prozent der Stimmen abgewählt. Härtel wehrte sich juristisch gegen ihre Abwahl, aber das Verwaltungsgericht Frankfurt wies die Klage ab. Dass Oberbürgermeister direkt vom Volk und nicht durch die jeweilige Gemeindevertretung gewählt werden, ist in Hessen erst seit 1993 der Fall. Seither gilt: "Da der Oberbürgermeister von den Bürgern gewählt wurde, kann er auch nur von den Bürgern abgewählt werden", wie Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner (Grüne) am vergangenen Donnerstag bei der Abstimmung über Feldmanns Abwahl erklärte.
Auch interessant: Feldmann-Rückzug im Januar: Erlösung für Frankfurt
Die Stadtverordneten wollten sich davon aber nicht beirren lassen. "Wir dürfen nicht aus Angst vor dem Quorum kneifen", formulierte ein Mitglied der Grünen stellvertretend die Auffassung, die auch die anderen Parteien vertreten. "Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, diese Entscheidung zu fällen."
Aber haben die Bürger ausreichend Interesse daran? Jutta Ditfurth von der Splitterpartei Ökolinx prognostizierte ein Szenario, das die meisten im Saal wohl als "den Teufel an die Wand malen" empfanden: Der Bürgerentscheid ist erst im November. Im Oktober steht Feldmann wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. Sollte er freigesprochen werden und wenn dann die Abwahl am Quorum scheitere, habe er gute Chancen, bis 2024 - zum Ende der regulären Amtszeit - Rathauschef zu bleiben, so Ditfurth. Nach bisherigem Stand will Feldmann im Januar 2023 freiwillig abtreten.
Von Sandra Trauner, Andrea Löbbecke und dpa