Ahr-Flut: Wieso Lewentz an keiner Krisensitzung teilnahm

Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss zur Ahrflut.  Archivfoto: Lukas Görlach

Am Tag nach dem Unglück hat Innenminister Roger Lewentz (SPD) einen Besuch von Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) vorbereitet. Die CDU wirft ihm Wahlkampf in Krisenzeiten vor.

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MAINZ. Es gibt Bilder am Tag nach der verheerenden Ahr-Flut im Juli vergangenen Jahres, auf denen der damalige Vizebundeskanzler Olaf Scholz in Jeans und Polohemd durch die Trümmer der zerstörten Dörfer schreitet. Den Kopf gesenkt, die Miene sorgenvoll. Flankiert wird der heutige SPD-Bundeskanzler auf den Bildern stets von Roger Lewentz, rheinland-pfälzischer Innenminister, aber auch Vorsitzender der Landes-SPD.

Seit vergangener Woche wird nach einem Medienbericht des Nachrichtenmagazins „Focus Online“ erneut Kritik an Lewentz laut, weil er nach neuen Erkenntnissen am Tag nach der Flut als oberster Katastrophenschützer des Landes an keiner Kabinetts- oder Krisensitzung in Mainz teilgenommen hatte. Der Vorwurf: Er habe stattdessen als Landesvorsitzender den Wahlkampfbesuch von Scholz begleitet. Scholz war zur Zeit der Ahr-Flut Kanzlerkandidat.

Lewentz ließ sich an allen Terminen vertreten

Lewentz selbst hatte im April bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages bestätigt, dass er am Tag nach der Flut in Absprache mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ins Flutgebiet gefahren sei, um den Besuch des Vizekanzlers vorzubereiten. Am selben Tag fanden in Mainz allerdings vier politische Sitzungen zur Ahr-Flut statt. Eine Landtagssitzung ab 9.30 Uhr. Eine Kabinettssitzung ab 11 Uhr per Videokonferenz mit telefonischer Einwahlmöglichkeit. Und zwei Sitzungen des kurzfristig einberufenen Krisenstabes um 14 und 18 Uhr. An allen Terminen hat sich Lewentz von seinem Staatssekretär Randolf Stich (SPD) vertreten lassen.

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Kritik kommt aus den Reihen der CDU: Laut den Christdemokraten soll Lewentz nämlich nicht in seiner Funktion als Innenminister an der Ahr gewesen sein, sondern als Landesvorsitzender der SPD. Somit habe er keinen Staatsbesuch vorbereitet, sondern den Wahlkampfauftritt eines Genossen. Die rheinland-pfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil befindet: „Wenn Scholz als Vizekanzler erschienen wäre, hätte das Protokoll der Staatskanzlei den Besuch vorbereitet. Dafür ist nur die Staatskanzlei nach der Geschäftsverteilung zuständig.“ Alles deute laut Heil „auf einen reinen Parteitermin“ hin.

Widerspruch hierzu kommt aus der Staatskanzlei. Die Staatskanzlei ist, salopp formuliert, die Regierungszentrale der Landespolitik. Zum Vorwurf, dass sich normalerweise das Protokoll der Staatskanzlei um die Vorbereitungen von Besuchen ranghoher Regierungsmitgliedern kümmere, teilt ein Sprecher des Hauses gegenüber dieser Zeitung mit: „Bei besagtem Besuch des Vizekanzlers handelte es sich nicht um einen protokollarischen Staatsbesuch.“ Vielmehr sei es dem Vizekanzler persönlich ein Anliegen gewesen, in das betroffene Gebiet zu reisen, um sich ein Bild von der Lage zu machen, wie die Staatskanzlei erklärt. „Der in Aussicht gestellte Besuch des Vizekanzlers wurde begrüßt, da bereits klar war, dass das Schadensausmaß nicht allein vom Land bewältigt werden konnte.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war zudem an diesem Tag auf Staatsbesuch in den USA, weshalb sie nicht persönlich ins Ahrtal kommen konnte.

Zur zeitlichen Abfolge am Tag nach der Flut teilt die Staatskanzlei weiter mit, dass Lewentz um 7.30 Uhr ins Polizeipräsidium Koblenz aufgebrochen sein soll, um vor Ort ein Lagebild einzuholen. Am Vormittag, während der Kabinettssitzung in Mainz, nahm er dann an einer Pressekonferenz mit dem damaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, teil.

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Verschiedene Interpretationen den Scholz-Besuchs

Anschließend sei Lewentz wieder zum Polizeipräsidium zurückgefahren, um weitere Informationen über die Geschehnisse der Nacht zu sammeln. An vielen weiteren Orten in Rheinland-Pfalz hatte es in dieser Nacht ebenfalls Hochwasser gegeben, „der Einsatzraum war auch zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht auf den Landkreis Ahrweiler beschränkt“, so die Staatskanzlei. Gegen 18 Uhr reiste Scholz wieder aus dem Ahrtal ab.

Doch was meinte Lewentz nun damit, als er sagte, dass er den Besuch von Olaf Scholz vorbereitet hatte? Dazu heißt es aus der Staatskanzlei: „Das Wort ,vorbereitet‘ ist nicht im Sinne einer Veranstaltungsorganisation zu interpretieren.“ Vielmehr sei das Lagebild des Ministers vor Ort wichtig gewesen, um ein umfassendes Schadensbild für das ganze Land zu erlangen – sowohl für Vizekanzler Scholz als auch für die rheinland-pfälzische Landesregierung. „Die Bundesregierung darf erwarten, dass die Landesregierung sie bei einem gemeinsamen Termin im betroffenen Gebiet über die bereits vorliegenden Erkenntnisse der Landesdienststellen informiert.“ Zudem habe Lewentz auf dieser Basis auch Ministerpräsidentin Dreyer unterrichtet. Anhand dieser Auskünfte sollen dann in Krisenstab und im Kabinett wichtige Maßnahmen getroffen worden sein.