Raúl Semmler setzt sich auf die Straße, blockiert den Verkehr, klebt sich in Mainz fest, lässt sich beschimpfen und wegtragen. Er bekommt aber auch Zuspruch. Wofür das Ganze?
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Herr Semmler, Sie wohnen in Mannheim und gehen in Mainz, München, Berlin und Heidelberg demonstrieren. Sind Sie ein Klima-Aktivist-Demonstrations-Tourist?
Ich war schon an vielen Orten in Deutschland protestieren. Ich glaube, da fehlen einige Städte in der Aufzählung. Ich habe mich im April 2022 dazu entschlossen, mich Vollzeit auf den Protest zu konzentrieren, würde mich aber nicht als Protest-Tourist bezeichnen.
Sie sind eigentlich Schauspieler und Drehbuchautor, haben einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Wie finanzieren Sie ihr Leben?
Ich bekomme unter anderem Geld für Vorträge und für Protesttrainings. Auch Sprechaufträge übernehme ich. Hierbei achte ich aber mittlerweile auf die Nachhaltigkeit der Unternehmen und deren Produkte, für die ich Werbung mache. Unter anderem unterstützt mich auch meine Frau.
Sie behaupten, Ihr Widerstand sei friedlich, das sehen die Autofahrer und Kunstliebhaber anders?
Erst mal vorweg: Es gibt immer wieder Zuspruch von Passanten und Autofahrer*innen. Klar, es gibt auch Autofahrer, die sich über uns ärgern. Schließlich werden sie in ihrem Alltag gestört. Wir haben schon viel in die Wege geleitet, mit Petitionen und Demonstrationen, leider hat die Politik darauf nicht reagiert. Eine öffentliche Straße ist auch für den Protest da. Frauenrechte oder Rechte für Schwarze wurden auch auf der Straße erkämpft, das sollten wir nicht vergessen.
Gibt es bei den Aktionen eine Rettungsgasse?
Natürlich, die Rettungsgasse wird bei uns immer berücksichtigt. Nur manchmal muss man auch bei den Autofahrern nachhelfen.
Haben sich die Reaktionen auf Ihren Protest geändert?
Ich beobachte seit einigen Wochen, dass die Aggressivität auf der Straße zugenommen hat. Leider werden die Autofahrer von bestimmten Medien immer wieder aufgefordert, „zieht die Leute von der Straße, das ist Notwehr.“
Wie sehen Sie den Vergleich zur RAF?
Wir kommen aus einer friedlichen Tradition, haben einen ganz anderen Background, auch unsere Sprache ist eine andere. Menschen, die zu Waffen greifen – das ist so krass weit weg. Es gibt friedliche Bewegungen und es gibt gewaltvolle Bewegungen. Dieser RAF-Vergleich wird nur benutzt, um uns zu diffamieren. Es ist völlig absurd.
Warum ist es dann in Lützerath zu Gewalttaten gekommen?
Das waren nicht unsere Leute in Lützerath. Es gibt auch militante Gruppen in der Klimagerechtigkeitsbewegung, das hat aber nichts mit uns zu tun.
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Ist der gewaltfreie Protest alternativlos für Sie?
Es ist der Protest, der in der Geschichte am erfolgreichsten war. Ich möchte auch nicht anders handeln, ich bin dem Buddhismus sehr nahe, ich kann nicht anders als gewaltfrei.
Tauschen Sie sich auch mit anderen Menschen aus, die nicht in dieser Blase sind?
Ja doch, ich habe unter meinen Freunden Ärzte, Künstler*innen, Musiker*innen – ganz verschiedene Menschen, und die haben auch andere Meinungen. Natürlich ist es schwierig, wenn der befreundete Arzt einen Sportwagen fährt, das zusammenzubringen, ist nicht einfach. Aber auch ich habe mal Feierabend.
Wann hören Sie mit dem Protest auf oder geht das für Sie immer weiter?
Ich möchte das nicht für immer und ewig machen. Ich möchte gerne wieder in mein Leben zurück. Wieder Drehbücher schreiben. Ich möchte Serien schreiben, damit sich die Leute im Feierabend entspannen können. Wir fordern den Gesellschaftsrat, das 9-Euro-Ticket und das Tempolimit. Wird davon nur ein Punkt erfüllt, gehen wir von der Straße.
Wie sehen Sie die Begrifflichkeit „Klimakleber“?
Ich finde, unser Protest wird dadurch banalisiert, runtergebrochen, nur aufs Kleben und irgendwas mit Klima. Es wird versucht, den Kern zu verwaschen.
Und wie ist es mit der Bezeichnung „Letzte Generation“? Ist das nicht anmaßend?
Wir sind die „Letzte Generation”, die den Klimakipppunkt noch abwenden können. Der Mensch verdrängt gerne. Das fängt damit an, dass die Leute sich nicht informieren, wo die Bezeichnung „Letzte Generation“ herkommt und es hört damit auf, dass der Kleber schädlich für die Haut sei. Es ist ein nerviges Thema und gefühlt gewinnen wir so wenig dabei. Aber es werden durch die Klimakrise Dinge verschwinden, ob es der Kakao ist, der Kaffee, oder das Wasser im Rhein, Main oder wo auch immer.
Wollen Sie einmal Kinder haben?
Ich habe die Frage für mich noch nicht abschließend geklärt.
Was passiert mit dem Protest, wenn Sie feststellen, es geht nicht weiter?
Das ist mir zu hypothetisch, diese Frage.
Hat Sie persönlich der Protest auf der Straße verändert?
Ja, in verschiedenen Punkten, ich habe ein differenziertes Bild von der Polizei bekommen, aber auch vom Staat und den Politikerinnen. Aber auch wie ich mit stressigen Situationen umgehe, da habe ich viel dazu gelernt.
Was würde passieren, wenn man Sie einfach auf der Straße kleben lassen würde? Tragen sie zum Beispiel eine Windel?
Kleben lassen? Ist mir noch nicht passiert. Die Polizei hat eine Sorgfaltspflicht. Und ich trage nicht jedes Mal eine Windel, wenn ich mich festklebe. Es kommt auf die Größe des Protests an.
Wie lange hat Ihre bislang längste Protestaktion gedauert?
Das waren mal fünf Stunden in Berlin. Die technische Einheit hatte länger gebraucht. Wir waren an verschiedenen Stellen, hatten uns mit Zweikomponentenkleber festgeklebt, das hat dann für uns länger gedauert. Aber wir haben Tee bekommen und es gab spannende Gespräche.
Hatten Sie damals in Mainz Angst, Ihre Hand zu verlieren?
Nein, das hatte ich nicht. Ich wusste auch, wie man sich von Asphalt löst. Aber in der Situation war es schon beängstigend, ich hatte ja nichts gesehen, weil ich mit einer Decke geschützt wurde. Die ganzen Vibrationen... Erst kam eine große Flex, dann eine kleine, später noch ein Presslufthammer, das war mir so nicht bewusst.
Was hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?
Ich erlebe gerade sehr viele Menschen meines Alters, die zu unserem Protest dazu kommen. Ja, warum nicht mal ein oder zwei Jahre ein Klimajahr einlegen? Ich hatte auch ein Telefonat mit einem 80-Jährigen, der sich uns anschließt und bald auf der Straße sitzt.
Wo sehen Sie sich in einem Jahr und in fünf Jahren?
So wie die Situation momentan aussieht, im Gefängnis, in einem Jahr und in fünf Jahren auch. Ich habe schon mehrere Strafbefehle, da werde ich um eine Haftstrafe wohl nicht herumkommen.