Tumore werden mit Ionen beschossen, um sie punktgenau zu zerstören. Eine Therapie, die in Kliniken angewandt und weiter erforscht wird. Die Grundlagen wurden in Darmstadt...
Darmstadt (dpa/lhe) - . Kohlenstoffionen rasen mit immenser Geschwindigkeit auf Tumore. Bei dem Beschuss sterben Zellen ab und der Tumor soll sich so zurückentwickeln. Vor 25 Jahren starteten am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt klinische Studien für eine neuartige Krebstherapie. „Im August und September 1998 wurden die ersten Patienten mit einer kompletten Kohlenstofftherapie über einen Zeitraum von insgesamt drei Wochen behandelt“, teilte das GSI Helmholtzzentrum mit. Über die Jahre habe der Weg von der Grundlagenforschung in die breite medizinische Anwendung geführt.
Mit großem Erfolg seien bis 2008 mehr als 440 Patientinnen und Patienten mit Tumoren im Kopf oder Hals mit Ionen des Kohlenstoffatoms behandelt worden. Heute setzen Spezialkliniken in Heidelberg, Marburg und Shanghai die Therapie im Kampf gegen den Krebs ein. Die Ionen werden nach Angaben des Helmholtzzentrums dabei auf hohe Geschwindigkeiten von bis zu 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, also rund 210.000 Kilometer pro Sekunde beschleunigt. Je stärker die Teilchen beschleunigt werden, desto tiefer dringen sie in den Körper ein.
Die Ionenstrahltherapie kann Tumorzellen punktgenau zerstören, das umliegende Gewebe aber schonen. In Darmstadt passierte dies mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers. Der Strahl kann millimetergenau gesteuert werden und so seine zerstörerische Energie konzentriert im Tumor abgeben. Für die Erzeugung des Ionenstrahls ist viel Energie nötig.
Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg ist die Therapie noch keine Standardanwendung. Eine Ionenstrahltherapie komme nur für bestimmte Tumore infrage und werde weiter erforscht. „Langfristig werden die zehn Prozent der Krebspatienten von einer Ionenstrahl-Therapie profitieren, bei denen das Tumorwachstum mit der konventionellen Strahlentherapie nicht gestoppt werden kann, weil es technisch unmöglich ist, eine ausreichend hohe Strahlendosis zu verabreichen“, heißt es beim Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum. Diese Patienten hätten tief im Körper liegende Tumore oder solche, die extrem widerstandsfähig gegen herkömmliche Bestrahlung oder von strahlenempfindlichem gesundem Gewebe umschlossen seien.
Wegen der hohen Kosten für eine solche Therapie war die Anlage im Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum (MIT) zuletzt immer wieder im Gespräch. Sie ist nicht nur Hoffnung für Patienten, sondern war auch immer wieder Streitthema. Das hat mit der umstrittenen Privatisierung des Uni-Klinikums Gießen und Marburg zu tun, zu dem die Anlage gehört. Die Rhön-Klinikum AG, die mittlerweile vom Krankenhauskonzern Asklepios übernommen wurde, hatte sich 2006 beim Kauf des Uni-Klinikums verpflichtet, die prestigeträchtige Technik anzubieten. Das Unternehmen stoppte dann aber aus Kostengründen vorübergehend das Projekt. Nach ausführlichen Verhandlungen wurde im Juni der Fortbestand der Anlage für zwei Jahre gesichert.
Beim GSI Helmholtzzentrum in Darmstadt entsteht derzeit eine Erweiterung des Teilchenbeschleunigers auf einer riesigen Baustelle. Die Anlage soll künftig noch mehr Möglichkeiten bei der Grundlagenforschung bieten. Elektrisch geladenen Atome sollen dann dort fast Lichtgeschwindigkeit erreichen, also knapp 300.000 Kilometer pro Sekunde.