Mit Kindern über Krieg sprechen? Wie Eltern die aktuelle Situation in der Ukraine mit ihren Kindern aufarbeiten können - und worauf dabei zu achten ist.
ALZEY. Zerbombte Wohnhäuser. Panzer rollen auf den Straßen. Mütter mit ihren Kindern sind auf der Flucht. Diese Bilder beherrschen seit über einer Woche die Nachrichten. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist eine neue Zeit über Europa hereingebrochen. Eine Zeit, in der alte Sicherheiten mit einem Mal hinfällig sind.
„Auch für uns als Erwachsene ist es gerade schwierig, mit der Situation umzugehen“, sagt Peter Baumgärtner, Leiter des Jugend- und Kulturzentrums (Juku). „Wie muss es dann erst auf die Kinder wirken?“ Laut Baumgärtner ist es für Eltern und ihre Kinder gerade besonders wichtig, die Ereignisse gemeinsam aufzuarbeiten und vor allem über das zu sprechen, was in der Ukraine passiert. „Es ist nichts mehr so, wie es war, eine Schwere liegt über allem – und das merken Kinder extrem.“
Doch wie reagiere ich als Eltern, wenn mein Kind fragt: „Mama, Papa, was ist Krieg?“ Wie erkläre ich etwas, das ich selbst nicht in der Lage bin, wirklich zu verstehen?
Baumgärtner und sein Team haben erkannt, wie drängend diese Fragen gerade jetzt für Familien sind. Auf seiner Facebook-Seite hat das Juku einen Link zu einer Webseite mit Hinweisen geteilt, wie Eltern mit ihren Kindern über den Krieg sprechen können. „Durch das Handy und das Fernsehen erreichen die Bilder vom Krieg oft ungefiltert Kinder und Jugendliche“, sagt Baumgärtner. Das könne belastend sein und sie überfordern. „Und sie merken, dass auch die Eltern Angst haben.“ Statt aber die Angst vor den Kindern verstecken zu wollen, sollten die Ereignisse offen angesprochen werden. „Wichtig ist es, die Kinder nicht damit alleine zu lassen“, betont Baumgärtner.
Sorgen von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen
Die Internetseite „Webhelm“, die auch das Juku als Informationsquelle geteilt hat, empfiehlt genau das. „Webhelm“ ist ein Projekt des JFF – Institut für Medienpädagogik. Die Seite beschäftigt sich mit Themen rund um Social Media und das Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen. Laut der Experten sollten die Befürchtungen und Fragen der Kinder nicht abgewiegelt, sondern ernst genommen werden. Das könne jungen Menschen ein Gefühl von Halt und Sicherheit vermitteln. Anknüpfend daran, betont auch Baumgärtner im Gespräch, dass Erwachsene hierbei nicht immer eine schnelle Antwort oder eine Erklärung parat haben müssen. „Stattdessen kann es schon helfen, ein offenes Ohr zu haben und füreinander da zu sein.“
Wichtig sei es daher, auf Angebote zurückzugreifen, die altersgerecht informieren. Eltern und Kinder könnten dann bei Unklarheiten gemeinsam nach Erklärungen und weiteren Informationen recherchieren. Solche kindgerechten Formate zu nutzen, könne für Eltern eine große Hilfe sein, gerade bei Dingen, die nicht einfach zu erklären seien, sagt Baumgärtner. Doch gerade in Krisen-Zeiten sollten Eltern versuchen, bewusst Auszeiten ohne Nachrichten zu schaffen, in denen sich die Kinder mit etwas anderem beschäftigen. „Um etwas Abstand zu gewinnen.“
Auch im Juku ist der Ukraine-Krieg ein Thema, über das mit den jungen Besuchern des Zentrums gesprochen wird. Über Krieg zu sprechen, das ist für Baumgärtner und sein Team allerdings nicht neu. „So hart, wie es sich anhört, das ist bei uns Alltag“, sagt der Leiter des Zentrums. Dort arbeiten sie mit vielen jungen Geflüchteten unter anderem aus dem Irak und Syrien. Das Team sei es gewohnt, sich mit den Erlebnissen von Flucht und Krieg auseinanderzusetzen. Das Juku ist Anlaufstelle für diese Menschen und zugleich Vermittler. Und das wollen Baumgärtner und seine Mitarbeiter auch dieses Mal sein, wenn die Menschen aus der Ukraine in Alzey ankommen. „Geborgenheit und Sicherheit – das ist es, was wir ihnen geben können.“