Freitag,
01.04.2016 - 08:00
5 min
Nach 63 Jahren war schon wieder Schluss
Von Matthias Nicolai

Auf diesem Foto aus der Vogelperspektive steht es noch, das 1992 abgerissene Eisenbahnviadukt bei der Hardtmühle; im Hintergrund Eifa. Foto: Frank Meineke ( Foto: Frank Meineke )
ALSFELD - Heute genau vor 100 Jahren, am 1. April 1916, wurde mit der Eröffnung des letzten Teilstückes der Bahnlinie von Alsfeld nach Grebenau (und damit vor allem weiter nach Bad Hersfeld) eine zweite Querverbindung zwischen der „Oberhessischen Eisenbahn“ von Gießen nach Fulda und der Bahnstrecke Frankfurt – Bebra geschaffen.
Während das ebenfalls zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehörige Gießen bereits 1861 an die Verbindung Köln-Gießen angeschlossen wurde und 1862 eine Verbindung über Siegen ins Ruhrgebiet bekam, verhinderten Streitigkeiten zwischen Kurhessen und dem Großherzogtum eine weitere Verbindung nach Osten, sodass Alsfeld zunächst einmal außen vor blieb. Erst als 1866 Preußen an die Stelle Kurhessens getreten war, wurden Verträge abgeschlossen und die Linie Gießen-Alsfeld-Fulda („Oberhessische Eisenbahn“) 1868 beschlossen.
Diese „Oberhessische Eisenbahn“ von Gießen nach Fulda wurde 1869 zwischen Gießen und Grünberg, 1870 zwischen Grünberg und Alsfeld und 1871 von Alsfeld nach Fulda eröffnet. Damit war der Kreis Alsfeld an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Das im Südwesten gelegene Homberg und das Ohmtal erhielt 1901 seinen Anschluss an die „Main-Weser-Bahn“ (Frankfurt-Gießen-Kassel) und die Strecke Mücke–Laubach verband zwei Jahre später dieses Gebiet mit dem Wirtschaftszentrum Frankfurt. Die Nebenbahn von Alsfeld über Grebenau nach Niederaula (und damit Bad Hersfeld) wurde als letzte in das hiesige Eisenbahnnetz eingefügt. Zunächst wurde am 10.11.1914 mit der Inbetriebnahme des Zwischenstückes Niederaula-Niederjossa-Schlitz der Bahnverkehr zwischen Hersfeld und Salzschlirf aufgenommen. Die Weiterführung von Niederjossa durch das Jossatal bis Grebenau wurde bereits knapp fünf Monate später, am 1. April 1915, eröffnet. Dass es dann noch ein weiteres Jahr dauerte, bis das letzte Teilstück zwischen Grebenau und Alsfeld geschlossen werden konnte, war zum einen den schwierigen Verhältnissen im Ersten Weltkrieg, zum anderen der für einen Gleisbau sehr anspruchsvollen topographischen Lage geschuldet.
Die neue, so lange ersehnte Streckenführung von Grebenau über Eulersdorf, Schwarz, Auerberg, Eifa nach Alsfeld mit einer Gesamtlänge von knapp 22 Kilometern erreichte mit 362 Höhenmetern ihren höchsten Punkt. Die schwierigen topographischen Verhältnisse mit Bergrücken und tief eingeschnittenen Tälern, bedingt durch die geologischen Verhältnisse im Grebenauer Grund, dem Steinfirst-Bergland und dem Alsfelder Becken, Letzteres mit einer Höhe von nur 230 Metern, erforderten einerseits den Bau von hohen Erdwällen, bei der Hardtmühle und bei Eifa entstanden zwei große (und großartige) Viadukte von 230 Meter Länge und 30 Meter Höhe (bei Eifa) sowie 24 Meter Höhe und 213 Meter Länge bei der Hardtmühle. Allerdings steht heute nur noch das bei Eifa – unter Denkmalschutz – das bei der Hardtmühle wurde 1992 abgerissen. Beide Brücken waren ein Zeugnis für die gute Ingenieurleistung ihrer Zeit, die noch stehende wird zu Recht als ein technisches Denkmal verstanden, ist sie doch eine der letzten Gewölbebauten in derartiger Betonbauweise, die es überhaupt noch in Deutschland gibt. Dieses nicht armierte Bogentragewerk war im Prinzip schon damals überholt, gab es doch seit 1860 Stahlbeton. Dass dennoch diese Bauweise gewählt wurde, kann durchaus der Zeit geschuldet sein, schließlich befand sich Deutschland im Ersten Weltkrieg, Stahl war sehr teuer und wurde für die Rüstung präferiert. Im Prinzip ähnelt die Bauweise denen der Römer vor 2000 Jahren: Der Betonmasse wurde Ziegelmehl beigemischt, das zu hydraulischen Eigenschaften führt. Das alte Gewölbeprinzip bestimmt sichtbar die Form des Viaduktes, denn Beton hält nur Druck aus, nicht aber Zug. Im Prinzip werden die Kräfte der Brücke abgeleitet wie bei einer romanischen Kirche. Dass die Brücke bei Eifa im Gegensatz zu ihrer nur wenig entfernten Schwesterbrücke an der Hardtmühle überhaupt erhalten werden konnte, ist zum einen dem Einsatzes des Landesamtes für Denkmalpflege, des Denkmalbeirates des Kreises und dem Planungs-, Bau- und Verkehrsausschuss der Stadt Alsfeld zu danken, die heftig gegen die Abrisspläne opponierten und einem Abbruch nicht zustimmten. Dass die Aktion von Erfolg gekrönt war, dürfte aber auch an den extrem hohen Kosten für Sprengung, Abriss und Beseitigung des Baumaterials gelegen haben, deren sich die Deutsche Bahn AG insofern diskret entledigen konnte, indem sie dem Landkreis und der Stadt die Sicherung der stillgelegten Brücke als Baudenkmal überließ.
Die Gründchenbahn war in der Weimarer Republik und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl im Bereich des Personen- als auch des Güterverkehrs sehr gut ausgelastet. In dieser „Blütezeit“ in den 50er Jahren verkehrten sogenannte „Triebwagen-Eilzüge“ 1. und 2. Klasse von Alsfeld über Bad Hersfeld nach Kassel und durchgehende Personenzüge von Bad Hersfeld über Alsfeld nach Gießen – und zwar täglich. Aus Rationalisierungsgründen wurden in dieser Zeit die Dampfloks immer mehr durch Schienenbusse ersetzt.
Die weitere Entwicklung ist bekannt: Zum einen wurden immer mehr Transporte von der Schiene auf die Straße verlagert, zum anderen führte die steigende Motorisierung in den Privathaushalten dazu, dass auch immer mehr Fahrgäste von der Bahn auf das Auto umstiegen. In der Folge wurden dann vor allem die weniger frequentierten Nebenstrecken, wie eben die Gründchenbahn, ausgedünnt und letztendlich abgebaut.
Der Personenverkehr auf der Gründchenbahn wurde am 25. Mai 1974, also nach nur 58 Jahren, eingestellt. Erste Hinweise darauf gab es fast zehn Jahre vorher, denn am 14. Januar 1966 erschien in der Oberhessischen Zeitung ein kleiner Artikel mit der Überschrift: „Bahnstrecke nach Hersfeld still? Wie wir aus inoffizieller Quelle erfahren, wird bei den zuständigen Stellen der Bundesbahn ernsthaft erwogen, die Strecke Alsfeld – Bad Hersfeld stillzulegen. Diese Strecke ist erst vor wenigen Jahren unter erheblichem Aufwand im Unterbau, Gleisanlagen, Signalen gründlich modernisiert worden, sodass eine Stilllegung vom kaufmännischen Standpunkt aus unverständlich erscheint. Dass eine solche Maßnahme für die betroffenen Gemeinden von einschneidender und nachteiliger Bedeutung wäre, braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden.“
Der Güterverkehr wurde fünf Jahre später, 1979, ebenfalls eingestellt; zwischen Alsfeld und Eifa bestand der Güterverkehr noch bis zum 28. September 1984. Während die Strecke von Grebenau bis Eifa komplett abgebaut wurde, sind die Schienen zwischen Alsfeld und Eifa zum Teil noch erhalten. Diese verlaufen vom Alsfelder Bahnhof zunächst in südöstlicher Richtung unterhalb der B 49 (Romrod-Grünberg), überqueren dann mit einer Brücke Krebsbach und Jahnstraße (die dort quasi endet), dann geht es weiter unter der Autobahn hinweg und über die Schwalm und die Straße zwischen Alsfeld und Altenburg. Sich nach Norden wendend geht es an der Straßenmeisterei vorbei. Weiter verlaufen die Schienen unterhalb des Hombergs in einem großen Bogen in der Nähe der Steinfirst-Siedlung nördlich an Eifa vorbei und dann in einem großen Bogen südwärts Richtung Hardtmühle. Zwischen Geldkopf/Hartkopf und Köllenberg bogen die Gleise dann nahezu im rechten Winkel nach Osten ab und unterhalb des Auerberges ging es dann weiter in Richtung Schwarz, Eulersdorf und Grebenau.