ANGENROD - (drs). Die Kontakte des Engländers mit deutschen Wurzeln, des Israeliten Paul Florsheim, der letztmalig im Juni 2015 dem jüdischen Sammelfriedhof Angenrods einen Besuch abstattete, haben schone eine längere Vorgeschichte.
Begonnen haben sie noch zu Lebzeiten des Alsfelder Geschichtsforschers Heinrich Dittmar (1934 – 2014), der sich bekanntermaßen um die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte, insbesondere der Stadt Alsfeld, herausragende Verdienste erworben hat. Dittmar hatte hierfür unter anderem auch 2003 in Berlin den Obermayr Award für deutsch-jüdische Verständigung erhalten.
Dittmar zu verdanken ist unter anderem auch, Kontakte zu ehemaligen jüdischen Alsfelder Mitbürgern, die jetzt in den USA oder in Großbritannien leben, geknüpft zu haben. Hierdurch konnten beispielsweise auch wieder Verwandte zusammengeführt werden.
Zu den nach dem Tode ihres Vaters Heinrich Dittmar 2014 erfolgten Briefwechseln mit Paul Florsheim berichtet Dittmars Tochter Christiane Sattler (Frankfurt), ihr Vater habe bereits zuvor sehr gute Kontakte mit dem englischen Senior gepflegt. So habe man sich auch anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen für dessen Familie in Bad Soden (Taunus) getroffen. Paul Florsheim selbst sei auch schon in Alsfeld zu Besuch gewesen. Der Kontakt zu dem sehr vorfahrenbewussten Engländer sei seitdem eigentlich nie abgerissen. Regelmäßig seien E-Mails in englischer Sprache ausgetauscht worden, hin und wieder habe man auch miteinander telefoniert.
Der Verfasser dieses Berichts hatte zur Vita Paul Florsheims, wiederum via E-Mail-Kommunikation, von dem jetzt in Bushey Hartforshire (England) lebenden englischen Israeliten noch einige Zusatzinformationen eingeholt. Verheiratet ist demnach der im März 1932 geborene Florsheim, früher von Beruf Großhändler für Import – hauptsächlich aus Offenbach – mit Rosemary Rebecca. Aus ihrer Ehe gingen drei Söhne hervor: Alan Malcolm, Jonathan Joseph und Daniel Robert. Aus dem Berufsalltag hat er sich nun seit längerem zurückgezogen und lebt als Pensionär im Großraum der Weltmetropole London.
Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Alsfeld/Romrod, wusste Paul Florsheim mitzuteilen. Sie seien noch rechtzeitig vor dem Zweiten Weltkrieg emigriert. Dagegen seien seine Großeltern mütterlicherseits, die aus Bad Soden stammten, via Frankfurt 1941/42 ins Ghetto Lodz und von dort aus in ein deutsches Vernichtungslager deportiert worden.
Paul Florsheim hatte schon Jahre vor seinem letzten Besuch in Angenrod und Alsfeld die dortigen jüdischen Friedhöfe besucht. Dank der Bemühungen von Heinrich Dittmar sei der Alsfelder Friedhof sehr gut gepflegt worden, stellte Florsheim fest. Jedoch, als er zwischen Juni 1990 und 1995 den jüdischen Friedhof Angenrods zum Gedenken dort bestatteter Vorfahren besucht habe, habe sich die Gräberanlage in schrecklicher Verfassung befunden, bemängelte der Gast von der britischen Insel.
Er habe daraufhin persönlich beim Deutschen Konsulat vorgesprochen und im Juni 1999 auch mit dem Alsfelder Bürgermeister korrespondiert. Schließlich sei daraufhin um 1999/2000 der jüdische Friedhof Angenrods mit einem Zaun und Toren renoviert worden. So sei er, der Flörsheim-Nachfahre, dann auch in der Lage gewesen, die Gräber seiner Vorfahren zu identifizieren.
Bei seinem Besuch und anschließendem Aufenthalt bei der Familie Dittmar in Alsfeld sei Paul Florsheim nach seinem Flug von London nach Frankfurt dort am Airport abgeholt worden. Und bei seinem letzten Aufenthalt bisher in 2015, gepaart mit zwei Übernachtungen im Hause Dittmar, habe man verschiedene Besuche in Alsfeld gemacht, darunter auch das Grab Heinrich Dittmars auf dem Alsfelder Friedhof aufgesucht. Dies habe den jüdisch konfessionellen Freund aus England sehr bewegt.
Bezüglich seiner Vorfahrengräber in Alsfeld seien noch die Grabsteine seines Onkels und seiner Großmutter vorhanden. Den aktuellen Zustand des jüdischen Friedhofs der Stadt beurteilte Paul Florsheim auf Basis erst kürzlich zugemailter Fotos als „reasonable“, also als „angemessen“. Die beiden zugesandten Fotos zeigen, wie Florsheim erläuterte, zum einen den Grabstein seines Onkels James Isaac Florsheim (1897 – 1961) – es ist das Grab des letzten in Alsfeld bestatteten Israeliten überhaupt –, zum anderen den seiner Mutter Esther Flörsheim geb. Lamm (1858 – 1925). Es sei der Wunsch seines Onkels gewesen, obwohl er ständig in England gelebt habe, in Alsfeld neben seiner Mutter zur letzten Ruhe gebettet zu werden.
Für die Führung auf dem Angenröder Sammelfriedhof stand auf Wunsch der Familie Dittmar Angenrods Heimatforscher Ingfried Stahl zur Verfügung. Dabei konnten neben weiteren Detailerläuterungen auch einige Gräber von Flörsheim – sowohl von Verstorbenen aus Ober-Gleen als auch aus Romrod – aufgesucht werden.
Es schloss sich dann noch ein kleiner Ortsrundgang auf israelitischen Spuren an, unter anderem mit einem Innehalten am Gedenkplatz für die ehemalige israelitische Gemeinde beziehungsweise die 1961 niedergelegte Fachwerksynagoge Angenrods. Auch das damals noch in den Startlöchern stehende Gedenkstätten-Projekt Haus Speier wurde vor Ort an der noch damaligen Bauruine erläutert.
Zum Abschluss seines zweitägigen Oberhessen-Aufenthaltes schenkte Marga Dittmar dem israelitischen Freund aus England noch eine Kippa ihres Mannes Heinrich, worüber sich Paul Florsheim sehr freute. Christiane Sattler und Marga Dittmar fuhren Paul Florsheim dann persönlich nach Bad Soden. Dort hatte Florsheim einen Termin beim Bürgermeister und auch mit einem Kulturdezernenten der Stadt. Nach einer Hotel-Übernachtung in dem Taunusstädtchen flog Paul Florsheim von Frankfurt nach London in seine britische Heimat zurück.