Im kommenden Frühjahr will die Stadt Gießen die ersten Fahrradstraßen freigeben. Ein Alsfelder erwartet davon auch ein Signal für seine Stadt.
Von Stephan Scholz
Die Stadt will in der Goethestraße eine Fahrradstraße einrichten. Radfahrer können dort nebeneinander fahren. Foto: Mosel
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GIESSEN - Voraussichtlich im kommenden Frühjahr gibt die Stadt ihre ersten Fahrradstraßen frei. Zunächst wird das Konzept in der Goethestraße zwischen Südanlage und Gnauthstraße sowie in Löber- und Lonystraße zwischen Bleichstraße und Bismarckstraße umgesetzt. "Das ist ein wichtiges Zeichen. Wir wollen das Fahrradfahren attraktiver machen", sagte Bürgermeister Peter Neidel (CDU) bei einer Informationsveranstaltung im Rathaus. Im voll besetzten Hermann-Levi-Saal gab es aber auch Kritik an den Plänen für die neuen Straßen, unter anderem von Jörg Bergstedt. "Dennoch finde ich die Fahrradstraßen gut. Denn das Spannende ist doch zu erfahren, dass ein ganzes Netz daraus entstehen soll", führte der Aktivist von der "Projektwerkstatt Saasen" aus.
2016 habe es in Deutschland 426 Fahrradstraßen in 110 Kommunen gegeben, stieg Moderator Klaus Pradella in den Abend ein. In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Dänemark sei das Konzept deutlich weiter verbreitet. In Hessen sei Kassel Vorreiter bei den Fahrradstraßen, die Gießen ab 2020 umsetzen will. Er selbst habe sich von Beginn an für die Straßen eingesetzt, versicherte Neidel. Ihre Realisierung sei mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, könne aber nun erfolgen. Konkret bedeutet das, dass Fahrräder in den drei Straßen gegenüber Autos bevorzugt werden und nebeneinander fahren dürfen. Es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde.
"Man kann Autos aus Fahrradstraßen auch komplett ausschließen. Das werden wir aber so nicht machen, weil viele Anlieger betroffen sind", so der Bürgermeister, der in diesem Zusammenhang unter anderem auf Geschäfte und Gaststätten verwies. Gekennzeichnet werden die neuen Straßen durch Verkehrszeichen und Piktogramme auf der Fahrbahn. Da Radfahrer darauf auch nebeneinander fahren können, wenn ihnen Autos entgegenkommen, müssen die Fahrbahnen breiter als bislang werden. Um gleichzeitig auf den Fußwegen ausreichend Platz einzuräumen, reduziert die Stadt die Parkmöglichkeiten: Künftig soll das Abstellen von Autos nur noch auf einer Straßenseite möglich sein. Und zwar in dafür eigens markierten Parkbuchten, die den notwendigen Platz für die Durchfahrt etwa von Rettungs- oder Müllwagen freihalten. Parkplätze, die dadurch wegfallen, will die Stadt durch die Einführung einer weiteren Bewohnerparkzone ausgleichen.
Um dem Radverkehr hohe Geschwindigkeit zu ermöglichen, haben künftig alle Fahrzeuge auf der Goethestraße Vorfahrt. Nur an den Kreuzungen mit Löber- und Lonystraße gilt rechts vor links, und an der Kreuzung mit der Ludwigstraße hat diese als Hauptverkehrsweg weiterhin Vorfahrt. Allerdings: Für die Fußgängerampel am Unihauptgebäude ist eine automatische Grün-Anforderung vorgesehen. Sie soll den Radlern lange Wartezeiten ersparen.
Da die Stadt auch den Durchfahrtsverkehr reduzieren will, wird der Abschnitt der Goethestraße zwischen Löber- und Ludwigstraße zur Sackgasse für Autos. Der Abschnitt zwischen Stephanstraße und Gnauthstraße soll Einbahnstraße werden, aus dem die Ausfahrt in Zukunft in Richtung Gnauthstraße führt. Diese Kreuzung wird umgebaut, da die Stadt das Linksabbiegen in Richtung Schiffenberger Weg ermöglichen will. "Fahrradstraßen bringen mehr Lebensqualität im Quartier. Es wird dort leiser und durch weniger Lärm und Abgase auch gesünder", resümierte Katja Bürckstümmer, Radverkehrsbeauftragte der Stadt. Wie zuvor Peter Neidel erläuterte sie, dass ein Streckennetz in Gießen entsteht. Die Planungen dafür sollen mit möglicher Bürgerbeteiligung im nächsten Jahr erfolgen.
Kritik aus der Zuhörerschaft gab es im Rahmen der Debatte - auch von Jörg Bergstedt - unter anderem an den gewählten Straßen. "Uns ist bewusst, dass das in Löber- und Lonystraße keine revolutionären Neuerungen sind. Aber es ist ein Anfang und ein wichtiges Signal. Deshalb wollen wir das vorantreiben", entgegnete Neidel. Positive Rückmeldung kam dagegen von einem Teilnehmer aus Alsfeld, der von dem Gießener Konzept ein Signal für die eigene Kommune erwartet. Dr. Jan Fleischhauer vom ADFC lobte den Ansatz, der aber ausgebaut werden müsse. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Umsetzung der vor Jahren geplanten Fahrradstraßen mangels Personal in der Verwaltung seit 2010 auf sich warten lasse.