Warum eine ungeplante Pause für manchen Fan doch noch zum Segen wird und warum der 25. Geburtstag der Münchner Band mit zwei Jahren Verspätung gefeiert wird.
WIESBADEN. Manch einem Zuschauer wurde schon ein wenig mulmig. Minutenlang arbeiteten die Techniker auf und neben der Bühne, um Andy Bocks Gitarre wieder auf Vordermann zu bekommen. Schon nach dem ersten Song mussten die Münchner Alternative-Metal-Band „Emil Bulls“ ihr Konzert im Wiesbadener Schlachthof unterbrechen. Es sollte einige Minuten dauern – und es sollte die letzte Verschnaufpause vor einem zweistündigen, wilden Ritt für die Zuschauer werden. Aber es waren eben lange Minuten – zunächst überbrückt durch ein Bass-Solo. Im Anschluss machte sich dann doch ein wenig Unruhe breit. Doch endlich kehrte auch Sänger Christoph von Freydorf auf die Bühne zurück, ärgerte seinen Gitarristen noch mit ein paar verbalen Seitenhieben – dann legten die „Bulls“ richtig los.
Der 25. Geburtstag der Band sollte schließlich gefeiert werden, auch wenn die Münchner inzwischen bereits 27 gemeinsame Jahre auf dem Buckel haben. Corona hatte die Feierlichkeiten eben zweimal verschoben. Nun war es dann doch endlich so weit. Es wurde der entsprechende Querschnitt durch die Alben der Band, wobei der Schwerpunkt deutlich auf den kommerziell erfolgreichsten beziehungsweise beliebtesten Stücken lag. So brachten Songs wie „The Age of Revolution“, „Here comes the Fire“, „Nothing in this World“, „Man or Mouse“ oder „The Jaws of Oblivion“ die Halle förmlich zum Beben. Der Funke zwischen den bühnenerfahrenen „Emil Bulls“ und ihrem Publikum sprang entsprechend schnell über. Quasi direkt nach der unfreiwilligen Pause zu Beginn. Es wurde getanzt und kräftig mitgesungen – ganz nach dem Geschmack von Frontmann Christoph von Freydorf. Dem Publikum merkte man aber auch an, dass es kaum Neuzugänge unter den „Bulls“-Fans gab. Es war vielmehr eine eingespielte Gemeinschaft. Nach fast allen Songs wurden Sprechchöre laut, die die Band feierten. Auch zeugten auch zahlreiche T-Shirts vergangener Touren der Band davon, dass hier wahre Veteranen unterwegs waren.
Band kann sich auf ihre treuen Fans verlassen
Eine Basis, auf die sich die „Emil Bulls“ verlassen können, die sie aber keineswegs als Selbstverständlichkeit ansehen. Vor Ende des Konzertabends wendete sich Christoph von Freydorf deshalb auch nochmal an die Zuschauer, bedankte sich für den Besuch, der in Zeiten verschiedener wirtschaftlicher Krisen eben nicht selbstverständlich ist. „Viele Bands sagen ihre Tourneen ab“, sagte er. „Aber ihr seid hier, und wir sind dankbar, dass wir hier spielen können.“
Tatsächlich war auch der Schlachthof weitaus nicht ausverkauft. Vielmehr konnte man recht problemlos zwischen den Reihen wechseln, sich gemütlich mit Getränken versorgen und wieder zu seinem Platz zurückkehren. Dieses Szenario wird bei kleineren Konzerten aktuell gefühlte Normalität. Und es führte eben tatsächlich bereits zu Tournee-Absagen.
Zwei Post-Hardcore-Bands als Vorprogramm
Die „Emil Bulls“ haben diese Probleme aber nicht, spielten auf der Geburtstagstour auch bereits in vollen Häusern, etwa in Ulm. Und sie bieten zum eigenen, mehr als zweistündigen Programm auch noch zwei Vorbands. Interessant dabei: Die jungen Musikgruppen sind nicht nur beide dem Genre Post-Hardcore zuzuordnen. Sie bringen auch beide Frontfrauen auf die Bühne, was in dieser Musikrichtung – oder generell im Rock – ja keineswegs die Regel ist. „Venues“ und „Setyoursails“ schafften es zudem, das Publikum in Wiesbaden mit ihren harten Klängen bestens für die „Emil Bulls“ einzuheizen. Von daher war die zusätzliche Verschnaufpause für manchen Fan womöglich doch noch ein Segen.
Von Tommy Rhein