Den Deutschen Buchpreis hat Nino Haratischwili knapp verpasst. Aber ihr neuer Roman „Die Katze und der General“ komponiert aus verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen eine packende Geschichte.
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
Nino Haratischwili, 2011 in Darmstadt mit dem Kranichsteiner Literatur-Förderpreis ausgezeichnet, hat in ihrem neuen Roman eine thrillerhafte Handlung komponiert.
(Foto: dpa)
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Rezo ist der beste Geliebte, den man sich denken kann, und auch der beste Vater für die gemeinsamen Töchter. Ein Arzt mit zarten Händen, fürsorglich und charmant, außerdem ausgestattet mit einer klaren politischen Haltung, die ihn auf die Straße treibt, wenn Georgien für die Unabhängigkeit demonstriert. Seine Haltung führt ihn auch in den Krieg, der Mann will helfen, wo er am nötigsten gebraucht wird. Der gute Vater geht, zurück kommt ein unbeholfener Riese, der die schrecklichen Erlebnisse nicht mehr los wird und seinen Charme verloren hat. Ein einziges Mal noch scheint er der Alte zu sein, packt den Lada für einen gemeinsamen Ausflug, und beinahe nimmt er die Familie mit in den Abgrund.
Das ist eine von vielen Geschichten, in denen Nino Haratischwili davon erzählt, was der Krieg aus Menschen macht. Männer verwandeln sich in Monster, und auch wenn sie zu Tätern werden, sind sie doch Opfer der Gewalt. Rezos Tochter Silesi, die sich in der Jugend mit ihren Kletterkünsten den Spitznamen „Katze“ erworben hat, erlebt das zehn Jahre nach dem Tod des Vaters aufs Neue. Sie lebt als Schauspielerin in Berlin, als sie ein seltsames Angebot erhält: die Hauptrolle in einem Video, das ein Quartett von Kriegsveteranen wieder zusammenführen soll. Auftraggeber ist ein geheimnisvoller russischer Oligarch, der aus dem zerfallenden Sowjetreich einen unermesslichen Reichtum gesaugt hat. Alle nennen ihn den General. Dabei ist der Sohn eines hochdekorierten Afghanistan-Veteranen nur widerwillig in den Tschetschenien-Krieg gezogen. Schon als Bub war er Außenseiter und Mobbing-Opfer, Schach und Literatur waren ihm immer wichtiger als das Kämpfen. Ein schreckliches Kriegsereignis aber nimmt ihm jede Angst und lehrt ihn jene Rücksichtslosigkeit, die ihn zum Erfolg führen wird.
Die Katze steht in Berlin als Antigone auf der Bühne, und der Sophokles-Satz „Heiß wallt dein Herz bei schauerlichem Werk“ wird zur Klammer, von der die Erzählung zusammengehalten wird. Tschetschenien im Jahr 1995, Berlin 2016: Dazwischen organisiert Nino Haratischwili eine Reihe von Rückblicken und Perspektivwechseln. Sie sind so geschickt komponiert, dass sie sich zur spannenden Erzählung formen, in der man die biografischen Fäden gerne bündelt: von Onno Bender, dem deutschen Journalisten, der seine Karriere mit Enthüllungen über die russischen Machtstrukturen ruiniert hat, von den Soldaten in der zerfallenden Sowjetarmee, von der georgischen Familie, die aus der Friedhofsruhe der Heimat geflüchtet ist und inzwischen in vier Generationen in Berlin lebt. Katzes Schwester legt in einer Techno-Diskothek auf und kümmert sich nur selten um ihre kleine Tochter, die Mutter hat ein großes Herz und wechselnde Freunde, die Oma trägt zum bescheidenen Einkommen mit Kaffeesatzlesereien bei.
Nino Haratischwili, 2011 in Darmstadt mit dem Kranichsteiner Literatur-Förderpreis ausgezeichnet, hat in ihrem neuen Roman eine thrillerhafte Handlung komponiert. Foto: dpa
Nino HaratischwiliDie Katze und der GeneralRoman. Frankfurter Verlagsanstalt, 764 Seiten, 30 Euro.
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Die vielen Nebengeschichten lenken nicht ab, sondern geben der großen, bewegenden Erzählung Tiefe. Selbst beim georgischen Familienfest, das Nino Haratischwili beschreibt, nicht ohne den kleinen Seitenhieb, dass Georgier bei deutschen Geburtstagen von der dürftigen Bewirtung immer ein wenig peinlich berührt sind. In Katzes Familie wird sinnlich gebacken, gekocht und gebraten – und als Erzählerin tischt die vielfach preisgekrönte Autorin genauso üppig auf.