Von Christoph CuntzWIESBADEN - Gut zwei Jahre nach den gewalttätigen Blockupy-Protesten, die sich gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt gerichtet hatten, fällt die Bilanz der Justiz ernüchternd aus: Von 675 Ermittlungsverfahren sind 645 eingestellt. Zwar hatte die Polizei am 18. März 2015 mehr als 500 Demonstranten festgehalten und 26 festgenommen. Verurteilt wurde jedoch nur ein Italiener – zu einer Bewährungsstrafe.
151 verletzte Beamte, 1,6 Millionen Euro Sachschaden
Die Bilanz ist umso erstaunlicher, als 11 000 Polizisten im Einsatz waren. 151 Beamte waren von Demonstranten zum Teil schwer verletzt worden, drei von ihnen so schwer, dass sie heute dienstunfähig sind. Den Sachschaden, der an diesem Tag bei den Ausschreitungen entstanden war, bezifferte der SPD-Abgeordnete Marius Weiß auf 1,6 Millionen Euro. Doch nicht einmal zehn Prozent dieses Schadens habe die Polizei einem Verursacher zuordnen können. Als „desaströs“ hat das Weiß jetzt im Innenausschuss des Landestages bezeichnet. Er warf dort Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) vor, als politisch Verantwortlicher „gescheitert“ zu sein. Der FDP-Abgeordnete Wolfgang Greilich wiederum sprach in der Innenausschusssitzung von einem „Scheitern des Rechtsstaates“. Beuth verteidigte die Polizeitaktik gegen die Kritik. Vor gut zwei Jahren sei die Gefahrenabwehr in den Vordergrund gestellt worden, nicht die Strafverfolgung. „Ich halte das für richtig“. Hätte man versucht, jeden einzelnen Steinewerfer vor Gericht zu stellen, hätte man mehr verletzte Polizisten riskiert. In anderen Ländern würden bei solchen Demonstrationen Distanzwaffen eingesetzt. Er lehne das ab. Wer mehr Verurteilungen wolle, müsse das Versammlungs- und Demonstrationsrecht beschneiden.
Beuth räumte ein, dass die Polizei an diesem Tag von der Aggressivität des Protestes überrascht worden war. „Chaoten und Gewalttäter“ seien schon in den frühen Morgenstunden „aus allen Löchern“ gekommen. Diese Brutalität und Skrupellosigkeit sei vorher nicht erkennbar gewesen. Die Sicherheitsbehörden hätten in dieser Situation Schlimmeres verhindert und gleichzeitig die Feier zur Eröffnung der EZB ermöglicht.
Die Polizei sei eine „lernende Organisation“, so Beuth. Sie werde künftig im Vorfeld solcher Demonstrationen für mehr Aufklärung sorgen. Taktisch werde sie sich auf solch „überfallartige Situationen“ einrichten. Auch habe sich gezeigt, dass es an der Schutzausrüstung Nachbesserungsbedarf gebe. Beuth ist zudem überzeugt, dass mehr Video-Überwachung des öffentlichen Raums dazu führen, dass mehr Straftäter überführt werden können.
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